Uerdingens Zwangsehe mit Krefeld
1928 erfolgte der Zusammenschluss der eigenständigen Kommunen. Der Rheinstadt wurde unter anderem die Bücherei im Gemeinschaftsvertrag garantiert – der aber gilt nicht mehr.
Krefeld-Uerdingen. Die Unterstützer der Uerdinger Bücherei, die bekanntlich auf der Sparliste der Stadt steht, werden das gerne hören. Die Bibliothek sei "stets offen und in einem guten Zustand zu erhalten", der Bücherbestand "fortlaufend zu ergänzen und zu erweitern". So steht es geschrieben im Gemeinschaftsvertrag, der 1928 den Zusammenschluss der Städte Krefeld und Uerdingen regelte.
Allerdings - und das wiederum werden die Aktivisten nicht ganz so gerne hören - gilt der Vertrag schon längst nicht mehr. "Er hat nur noch Nostalgiewert", räumt auch Uerdingens Bezirksvorsteher Elmar Jakubowski ein. "Aber wir weisen gerne auf die Bestimmungen mit spitzem Finger hin."
Denn die Bücherei ist nur ein kleiner Bestandteil des Vertragswerkes, das auf fast 50 Buchseiten peinlich genau festgelegt, was in Uerdingen gebaut, ausgebaut bzw. erhalten werden muss. Die Verfassung der Stadt Krefeld-Uerdingen wurde darin genauso fixiert wie eine Wahlordnung oder das Kommunale Programm mit Uerdinger Forderungen. Der Tunneldurchstich am "Rheinbahnhof", wie es der Vertrag versprach, wurde erst fast 80 Jahre später, im Herbst 2008, verwirklicht. 1928 war dafür noch eine "Frist von drei Jahren" für die "Eisenbahnunterführung für Personen und Fuhrwerk vom Bahnhofsvorplatz zur Hochstadenstraße" eingeräumt worden.
Gehalten hat die Stadt die Zusage, das Stadtbad "stets offen und in gutem Zustande" zu erhalten. Dasselbe trifft auf die Kirmes zu, die ebenfalls aufgeführt wird mit dem Hinweis, dass der Bürgermeister die Eröffnung vorzunehmen habe. Vergangenheit hingegen sind der Uerdinger Schlachthof mit der Eisfabrik und die Herstellung von Kindermilch.
Obwohl so akribisch festgelegt, fiel die Kooperation der beiden Städte bereits nach elf Jahren dem Nazi-Regime zum Opfer. Nachdem die Krefelder NS-Führung um Bürgermeister Aloys Heuyng den Uerdinger Bürgermeister Friedrich Aldehoff zum freiwilligen Amtsverzicht gezwungen hatten, wurde Emil Hürter sein Nachfolger.
Dieser konnte am 25. Januar 1940 den Beschluss des Stadtrates verkünden, dass "die vorbehaltlose und endgültige Vereinigung der Stadtteile Krefeld und Uerdingen mit dem 1. April 1940 in Kraft tritt" - Uerdingen war damit nur noch Teil der Gesamtstadt Krefeld. Nach dem Zweiten Weltkrieg mühten sich die Uerdinger, das "Unrecht" rückgängig zu machen und landeten einen Teilerfolg: Uerdingen bekam eine neue Ortssatzung, die der Rheinstadt weitestgehende Verwaltungsselbstständigkeit zusicherte. Und zwar zeitlich unbegrenzt.
Das klang noch besser als im Eingemeindungsvertrag und die Freude am Rhein war entsprechend riesig. Die besondere Stellung Uerdingens hielt bis 1975 an. Mit der Einführung der neuen Bezirksverfassung endete der Sonderstatus innerhalb Krefelds. Als Überbleibsel behielt ein Krefelder Beigeordneter noch seinen ständigen Dienstsitz in der Rheinstadt. Mit der Ernennung des damaligen Uerdinger Beigeordneten Jürgen Küper zum Stadtkämmerer wurde sein Sitz nach Krefeld verlegt. Die symbolische Position des Uerdinger Beigeordneten blieb aber erhalten.