Streit um den Ladenschluss
In NRW soll das Gesetz zu den Öffnungszeiten der Läden geändert werden. Aus Krefeld kommen dazu sowohl Beifall als auch harsche Kritik.
Krefeld. Sabine M. und Hatun K. arbeiten in einem Supermarkt: Waren auspacken, Regale auffüllen, an der Kasse Waren einscannen. M. ist seit 19 Jahren im Lebensmittel-Einzelhandel beschäftigt, K. ist Auszubildende. Obwohl der Job oft anstrengend ist, machen ihn beide gern — ihre vollen Namen wollen sie allerdings nicht in der Zeitung lesen. Der Supermarkt, in dem die Frauen arbeiten, ist von 7 bis 22 Uhr geöffnet. „Die letzten beiden Stunden werden hier fast ausschließlich mit Teilzeitkräften und Aushilfen besetzt“, berichten die Frauen.
Ob diese Praxis auf Dauer so bleibt, ist ungewiss: Zuletzt im Januar debattierten die Abgeordneten des Düsseldorfer Landtags über die Novellierung des Ladenöffnungsgesetzes (LÖG).
Anlass dazu gaben Pläne des Wirtschaftsministeriums, die Ladenschlusszeiten werktags auf 20 Uhr und samstags auf 18 Uhr zu beschränken. Ebenfalls auf den Prüfstand soll die Anzahl der verkaufsoffenen Sonntage pro Jahr.
Auch in Krefeld ist das Thema aktuell — die Öffnungszeiten hier sind bislang uneinheitlich (siehe Infokasten). Kunden wissen oft nicht, ab und bis wann welches Geschäft geöffnet ist. Gerade das Fehlen verbindlicher Regeln hält man beim Einzelhandels- und Dienstleistungsverband Krefeld-Kempen-Viersen für eine erhaltenswerte Errungenschaft. „Der Markt regelt das von selbst, die jetzige Flexibilität sollte erhalten bleiben. Wir warnen vor negativen Auswirkungen auf Beschäftigungszahlen im Falle der Beschränkung der Ladenöffnungszeiten“, sagt Geschäftsführer Markus Ottersbach. Auch bei den vier verkaufsoffenen Sonntagen im Jahr sollte es bleiben. Hier führt Ottersbach die Nähe zu den Niederlanden als Druckmittel für den deutschen Handel an, da es im Nachbarland noch weniger Regelungen bei den Ladenschlusszeiten gebe.
Damit liegt er ganz auf der Linie der FDP. Der Vorsitzende der Jungen Liberalen, Dennis Byrski: „Wir wollen niemanden zwingen, lange zu öffnen — aber eben auch nicht dazu, früher zu schließen.“
Diesen Standpunkt hält die Grünen-Fraktion im Rat für zu einseitig: „Es ist wichtig, bei der Debatte die Bedürfnisse derjenigen im Blick zu behalten, die Verbrauchern den Service ermöglichen — die Arbeitnehmer“, argumentiert Vorsitzende Stefani Mälzer.
Klaus Glier, bei Verdi linker Niederrhein für den Bereich Handel zuständig, liest aus der Abnahme der sozialversicherungspflichtigen Stellen bei gleichzeitiger Zunahme der geringfügig entlohnten Beschäftigten bis zum Jahr 2010 einen Trend hin zur erhöhten Belastung der Arbeitnehmer: „Seit dem Inkrafttreten des LÖG wird die Arbeit zwar auf mehr Köpfe verteilt, die Belastung durch oft wechselnde Arbeitszeiten bei weniger Lohn nimmt aber zu.“
Die Öffnungszeiten entsprächen nicht den Bedürfnissen der Kunden, ist Glier sicher. Die Gewerkschaft begrüße eine einheitliche Neuregelung. „Die Kosten der langen Öffnung werden oft nicht durch die Einnahmen gedeckt — der Servicegedanke geht zulasten der Freizeit von Mitarbeitern.“
In der Zentrale der Real-Warenhaus GmbH in Mönchengladbach weist man dies zurück. Die Nachfrage in den Märkten sei bis in den Abend vorhanden. „Und die Spätschichten sind wegen der Zulagen bei den Mitarbeitern sehr beliebt“, teilt eine Unternehmenssprecherin mit. Außerdem zahle man einen tariflich vereinbarten Lohn.
Dass ab 19 Uhr der Kundenandrang deutlich abnehme, ist die Erfahrung von Claudia an Mey-Büren, die eine Filiale von „The Body Shop“ an der Königstraße leitet. „Länger zu öffnen würde sich gar nicht lohnen.“ Die Notwendigkeit, an dem aktuellen Gesetz etwas zu ändern, sieht sie jedoch nicht.
Immer länger und an immer mehr Tagen geöffnet — das bedeute Stress für die arbeitenden Menschen und tue ihnen nicht gut, ist sich Pfarrer Siegfried Ochs dagegen sicher. Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen Krefeld sieht vielmehr die Bedeutung der Sonntage und des Feierabends als „Zeit für sich und die Familie“ schwinden. „Wichtige Einkäufe kann man auch bis 20 Uhr erledigt haben. Und ob in der Kirche oder nicht: Der Sonntag sollte seine Bedeutung als Ruhetag behalten“, so der Geistliche.
In der Pressestelle des Düsseldorfer Landtags erwartet man einen Gesetzesentwurf aus dem Wirtschaftsministerium „noch vor der Sommerpause 2012“.