Südwall-Schütze: „Ich hätte ihn töten können“

Beim Prozess um Schüsse auf einen Gastronomen bestreitet der Angeklagte (23) Mordabsichten.

Der Angeklagte versteckte sein Gesicht vor dem ersten Tag der Verhandlung unter einer Kapuze.

Foto: Dirk Jochmann

Krefeld. Es klingt so, als wolle das Opfer dem Richter eine Absage erteilen. „Wir haben das zwischen den Familien geklärt“, sagt der 38-jährige Gastronom, der im Mai vor seinem Kultur-Café am Südwall vor dutzenden Zeugen angeschossen wurde. Doch auch wenn die blutige Fehde zwischen zwei Familien aus dem Balkan beendet scheint — der Prozess vor dem Landgericht, bei dem es um versuchten Mord geht, hat gerade erst begonnen. Der Richter erklärt: „Wenn hier jemand auf offener Straße herumschießt, kann das ein Land nicht einfach hinnehmen.“

Auf der Anklagebank sitzt ein teilweise geständiger Schütze. Der 23-Jährige hat ein weiches Gesicht und wenn er mit seiner Dolmetscherin spricht, blitzt immer wieder ein verschmitztes Lächeln auf. Am 19. Mai zeigte er ein anderes Gesicht.

Ohne Vorwarnung soll er laut Anklage seine Schusswaffe gegen den Besitzer des Cafés Mitrovica gerichtet haben, der mit Kunden vor seinem Laden saß. Sofort suchte das Opfer zwischen parkenden Autos Deckung. Immer mehr Schüsse fielen, Querschläger trafen ein Auto und ließen die Scheibe des gegenüberliegenden Cafés splittern. Das Opfer flüchtete, saß dann aber irgendwann zwischen zwei Autos in der Falle. Vor Gericht sagt er: „Ich dachte, es ist vorbei mit meinem Leben.“

Über das, was dann passierte, gehen die Versionen des Gastronomen, der auch als Nebenkläger auftritt, und des 23-Jährigen auseinander. Das Opfer sagt: „Er hat mir ins Gesicht gesehen und abgedrückt.“ Dann habe es geklickt und nichts sei passiert, weil die Munition im entscheidenden Moment ausging.

Der Angeklagte bestreitet das. Er lässt über seinen Verteidiger verlauten: „Ich wollte ihn nur mit der Pistole einschüchtern.“ Er habe einen gezielten Schuss in die Hüfte seines Opfers abgegeben, ansonsten die Waffe auf den Boden und in die Luft gerichtet. „Ich bin ein sehr guter Schütze. Wenn ich gewollt hätte, hätte ich ihn mit dem ersten Schuss töten können“, sagt der wohnungslose junge Mann, der nach eigenen Angaben beim Militär im Kosovo das Schießen gelernt hat.

Ziel der Aktion sei der Frieden für seine Familie gewesen, der durch den Streit mit der Familie des Gastronomen gefährdet gewesen sei. Alles begann mit einem Auto. Der Bruder des Opfers hatte dem Bruder des Angeklagten das Fahrzeug verkauft — ohne Kaufvertrag. Den forderte schließlich die Käuferfamilie, zu der zehn Kinder gehören, mit Gewalt ein. So die Schilderung des Opfers. Sein Bruder sei bereits mitten in der Krefelder Fußgängerzone von Mitgliedern der verfeindeten Familie am Hals gepackt und mit einer Pistole bedroht worden.

Der 23-Jährige berichtet indes, dass einer seiner Brüder wegen des Konflikts vor einer Krefelder Diskothek so brutal zusammengeschlagen wurde, dass er bleibende Schäden davontrug.

Nach der Eskalation ist jetzt der Tonfall milder geworden. Der an der Hüfte getroffene Café-Besitzer berichtet über die Aussprache der Familien: „Ich habe versprochen, dass ich den Jungen so gut wie möglich entlaste.“ Der Prozess wird am 17. November fortgesetzt. neuk