Klinikum Thea Goetzens geht wieder mit offenen Augen durch die Welt
Eine 20-Jährige kann plötzlich morgens ein Auge nicht mehr öffnen. Sie ist „funktional blind“.
Krefeld. Eines Tages wacht Thea Goetzens auf und kann ihr linkes Auge nicht mehr öffnen. „Ich war vollkommen hilflos. Egal, wie sehr ich mich angestrengt habe, das Auge blieb zu“, erinnert sie sich an diesen schrecklichen Moment. Nach Nervenwasserentnahme, MRT und CT können die Neurologen am Helios-Klinikum Krefeld andere organische Ursachen, wie einen auf den Nerv drückenden Tumor, rasch ausschließen. Unklar bleibt, was das Auge verschlossen hält. Die Neurologen testen weiter und schließen nach und nach Diagnosen aus.
Mit dem Verdacht auf einen unwillkürlichen Lidkrampf kommt die junge Frau zu Dr. Stephanie Gründemann in die Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. „Ein sogenannter Blepharospasmus kann jeden zu jeder Zeit treffen. Es handelt sich schlicht um einen fehlgeleiteten Nervenimpuls, der zu einer Überaktivität der betroffenen Muskulatur führt“, erläutert die Oberärztin.
Viele Patienten leiden demnach oft jahrelang ohne richtige Diagnose. Oft werde eine psychische Erkrankung vermutet, Nervosität und Stress als Auslöser gesehen. Dabei sei der Lidkrampf keine psychische, sondern eine rein organische Erkrankung. Diese verschlimmere sich zwar unter Stress und Anstrengung und könne sich kurzzeitig bei Entspannung verbessern, die Ursache sei aber nie psychischer Natur.
Patienten mit muskulärer Überaktivität behandelt die Oberärztin Dr. Gründemann seit Jahren mit dem Nervengift Botulinumtoxin A, auch bekannt als „Botox“. „Die therapeutische Anwendung ist im Vergleich zu den anderen verfügbaren medikamentösen und operativen Verfahren sehr wirksam und bei richtiger Anwendung gut verträglich“, erläutert die Medizinerin.
Auch bei Thea Goetzens ist dies die Therapie der Wahl: Durch die Injektion wird die Muskulatur rund um die Augen geschwächt — inzwischen ist auch das rechte Auge betroffen —, und sie kann die Augen wieder öffnen. Die maximale Wirkung tritt nach zirka zehn Tagen ein und lässt nach etwa drei Monaten wieder nach. „Ich war unendlich erleichtert, als ich merkte, wie gut und einfach mir Frau Dr. Gründemann helfen kann“, strahlt die angehende Physiotherapeutin nach der zweiten Injektionsbehandlung am Klinikum erleichtert.
Für jeden Patienten gibt es eine individuelle Dosis, die genau passend ist. Wird zu viel Botulinumtoxin A injiziert, können unerwünschte Nebenwirkungen auftreten: Das Auge geht nicht mehr zu, wird trocken, fängt an zu tränen und schmerzt. „Die Kunst ist, exakt den Punkt zu treffen, wo sich das Auge wieder öffnet, aber auch selbstständig vom Patienten geschlossen werden kann. Sonst bereitet beispielsweise das Einschlafen Probleme“, erläutert die Fachärztin.
Die Dosis stimmte auf Anhieb, und auch Nebenwirkungen hat Thea Goetzens keine. Da ihre Erkrankung nicht heilbar ist, wird sie im dreimonatigen Rhythmus gespritzt. Die 20-Jährige hat ihren Humor behalten und verspricht Dr. Gründemann schmunzelnd: „Wir werden uns von nun an ja öfters sehen.“ Red