Tolle Stimmung beim Steckenpferd
Starkes Programm, ausverkauftes Haus, mäßige Dankesrede, klasse Laudatio. Ein schöner Abend.
Krefeld, helau!
Vielleicht ist der ihm eigene Humor, vielleicht ist es auch dem neuen Steckenpferd-Ritter geschuldet. Vielleicht sogar ernst gemeint. Wer weiß das schon im Karneval. Als Christian Cosman als Präsident der Krefelder Prinzengarde die karnevalistischen und gesellschaftlichen Honorationen der Seidenstadt begrüßt, vergisst er auch die Medien nicht: „Und bitte schreiben Sie es genau so, wie es gewesen ist.“ Jeck, wie wir sind, tun wir das.
Gut, war sie, die 29. Verleihung des Steckenpferdes, musikalisch, witzig, teils mitreißend, eine Superstimmung im Seidenweberhaus. Mit kleinen Abstrichen, ausgerechnet beim neuen Steckenpferd-Ritter Rainald Becker.
Der ARD-Chefredakteur — in St. Tönis geboren, in Bockum aufgewachsen, auf dem Fabritianum die Schulbank gedrückt — ist zwar seit Bodo Hauser der erste richtige Krefelder, wie es sein Vorgänger und Laudator Bischof Dr. Helmut Dieser ausdrückt. In den Krefelder Karneval scheint der ja wirklich prominente Zögling der Stadt nicht so recht zu passen. In seiner Dankesrede arbeitet sich der stets so nüchtern wirkende Nachrichtenmensch ausschließlich an der Politik ab. Politiker, weiß der neue Steckenpferd-Ritter, sind allesamt „Fleisch gewordene Spaßbremsen“. Dafür gibt’s Lacher. Auch das „Peitsch mich, ich hab’s verdient“-Gesicht des Sondierungsumfallers Martin Schulz findet Gefallen. Dass Journalisten in der Beliebtheitsskala wie Politiker kurz vor der Ratte rangieren, ohnehin selten gelobt werden, die Politiker den Medien zudem stets die Schuld zuschieben und ohnehin immer reden und nichts sagen, strapaziert die jecke Seele dann doch.
Laudator Dieser setzt da mehr auf das Florett als den Degen. Er zeichnet das Bild von der handwerklich geschickten Sportskanone, die beim Kugelstoßen das heimische Wohnzimmerfenster zerstört. Herrlich, wie der Bischof von Aachen den Krefelder Sprach-Autismus aufs Korn nimmt: „Beckers Rainald dem seine Bruder Olaf“, klärt dieser Familienverhältnisse.
Die Programmauswahl insgesamt ist spitze, Kompliment. Bernd Stelter sowieso eine Bank, die Stimmungsband Kasalla Kölner Champions League, die Tanzeinlagen klasse. Die ersten stehenden Zugabe-Ovationen verdient sich Künstler Martin Schopps mit schwarzer Clownsnase und Gitarre. Er erzählt von seinen Erfahrungen als Berufsschullehrer von Kevin, der ein Sieb wegschmeißt, weil es Löcher hat. Oder von neuen Begrifflichkeiten in einer düsteren Zukunft. „Das heißt dann nicht mehr Farbiger, sondern ,bei Dunkelheit schwer erkennbarer Rotationseuropäer’.“
Präsident Cosman, als Sitzungsleiter auch Buchhalter des Humors, bescheinigt Schopps eine Zeitüberziehung von 46 Sekunden und gewährt weitere 90. Über 800 Gäste im ausverkauften Seidenweberhaus danken es ihm mit einer großartigen Stimmung.
So ist es gewesen.