Durch Messerangriff getöteter Krefelder Trauerfeier nach der Tat von Dresden

Krefeld · Ein Krfelder ist in Dresden auf offener Straße erstochen worden: Es sind etwa 200 Menschen zusammen gekommen vor der Alten Kirche an diesem Freitagabend, kurz vor 18 Uhr. Alle in gebührendem Abstand voneinander, mit Mund-Nasenschutz stehen sie da. Schweigend. An einem Zaun hängt das Regenbogenbanner.

Oberbürgermeister Frank Meyer bei seiner Rede zur Gedenkfeier vor der Alten Kirche.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Es sind etwa 200 Menschen zusammen gekommen vor der Alten Kirche an diesem Freitagabend, kurz vor 18 Uhr. Alle in gebührendem Abstand voneinander, mit Mund-Nasenschutz stehen sie da. Schweigend. An einem Zaun hängt das Regenbogenbanner.

Der Krefelder, zu dessen Gedenken sie sich vor der Alten Kirche versammelt haben – darunter der Oberbürgermeister, zwei Bürgermeister, sowie Krefelder Bundestags- und Landtagsabgeordnete – war am 4. Oktober Opfer eines tödlichen Messerangriffs in der Dresdner Altstadt geworden.

Der 55-Jährige war kurz darauf im Krankenhaus gestorben. Sein 53-jähriger Begleiter aus Köln überlebte schwer verletzt. Gegen den syrischen Tatverdächtigen hatte die Bundesanwaltschaft einen Haftbefehl erwirkt. Der Mann, der seit 2015 in Deutschland geduldet ist, war nur wenige Tage vor der Tat aus dem Jugendstrafvollzug entlassen worden.

Der Mann habe aus einer radikal-islamistischen Gesinnung heraus gehandelt, erklärten die Strafverfolger. „Er wollte die beiden Tatopfer als Repräsentanten einer von ihm als ungläubig abgelehnten freiheitlichen Gesellschaft auslöschen.“ Der 20-Jährige war den Behörden seit Jahren als Islamist bekannt.

Redner fordern: Das Tatmotiv darf nicht verschwiegen werden

Eingeladen zu der Trauerfeier für den am 6. November beigesetzten Krefelder hatte der Verein CSD Krefeld. CSD steht für Christopher Street Day. Beim CSD wird alljährlich an den ersten bekannt gewordenen Aufstand von Homosexuellen gegen die Polizeiwillkür in der New Yorker Christopher Street (1969) erinnert.

Eine von einer Zeitung veröffentlichte Todesanzeige hatte vor ein paar Tagen die beiden Männer als Lebenspartner ausgewiesen. In der LGBTI-Community (LGBTI steht für Lesbian, Gay, Bisexual, Transsexuell/Transgender, Intersexuell) wird kritisiert, dass bei den behördlichen Ermittlungen das mögliche Motiv Homosexuellenhass stets unerwähnt blieb. Der 20-Jährige könnte die beiden Tatopfer für ein gleichgeschlechtliches Paar gehalten und sie allein deshalb attackiert haben. Der Dresdner Oberstaatsanwalt Jürgen Schmidt hatte dazu lediglich gesagt: „Zur sexuellen Orientierung der Opfer äußern wir uns nicht.“

Eben das wurde auch am Freitagabend vor der Alten Kirche in mehreren Trauerreden für den getöteten Krefelder kritisiert, der nur mit seinem Vornamen Thomas genannt wurde. Wenn Tatmotiv die sexuelle Orientierung des Opfers gewesen sei, dann dürfe das nicht verschwiegen werden.

Schweigen über den Sachverhalt könne niemals schützen vor weiterer Gewalt gegenüber Minderheiten. Die Tatsachen müssten benannt werden. So wie „Black Lifes matter“ richtig sei, gelte das auch für „Homo Lifes matter“.

Das müsse laut gesagt werden, um wachsender Aggression und Übergriffen gegen Minderheiten entschieden entgegenzutreten. Es müsse benannt werden, wenn das Opfer schwul war, denn wenn das nicht geschehe, werde Homo- und Transfeindlichkeit überdeckt und unsichtbar gemacht. Und damit werde die auch anderen Minderheiten drohende Gefahr nicht ernst genommen.

OB Meyer: Jeder soll so
leben können wie er mag

Oberbürgermeister Frank Meyer, der schon früher die Belange des CSD Krefeld unterstützt hatte, ist vor Abschluss der Ermittlungen vorsichtiger, spricht von einer „eventuell homophob motivierten Tat“. Er blickt anerkennend darauf, dass sich in den vergangenen Jahren viele Menschen „in der Samt- und Seidenstadt unter der Regenbogenfahne versammelt haben und gemeinsam für eine offene und tolerante Stadtgesellschaft eingetreten sind“. Das tue der Stadt gut.

Und doch sei es auch eine Tatsache, dass Menschen, die in irgendeiner Weise anders seien, oftmals mit Aggressionen und Gewalt konfrontiert sind. „So mischen sich Trauer für manche mit einer Angst, selbst zum Opfer zu werden“, sagte Meyer.

Deswegen finde auch er es besonders wichtig, dass die Hintergründe der Tat aufgeklärt werden, darauf habe die Öffentlichkeit einen Anspruch. „Wir halten zusammen, in Krefeld solle jeder so leben können wie er mag“, sagte der Oberbürgermeister und zündet die erste von zahlreichen Kerzen an, die auf den Treppenstufen zur Alten Kirche abgestellt werden.