Bauhaus-Fund Unbekannte Pläne von Mies van der Rohes Haus Esters aufgetaucht

Krefeld · Christoph Moß vom Stadtarchiv entdeckte die Entwürfe in einem unbeschrifteten Pappkarton. Ein Zufallsfund.

Der stellvertretende Leiter des Stadtarchivs Krefeld Christoph Moß und Historikerin Stefanie van de Kerkhof stellten den Fund vor.

Foto: Ja/Jochmann, Dirk (dj)

Als Ende Februar der stellvertretende Leiter des Stadtarchivs Krefeld einen unbeschrifteten Pappkarton öffnet, um dessen Inhalt zu sichten, erwartet ihn eine freudige Überraschung. In dem Karton entdeckt er 50 bisher unbekannte Einzelblätter zu dem von Ludwig Mies van der Rohe entworfenen Haus Esters. Und dies just im Bauhausjahr. Schnell wird die Bedeutung dieses Zufallsfundes deutlich.

Die Pläne – Bauzeichnungen Ansichten und Schnitte – stammen überwiegend aus Juli und August 1928, also vor Baubeginn im Oktober 1928, sind teilweise signiert oder mit einem Stempel von Mies van der Rohes Atelier bedruckt. Eine Serie vom 20. Juli ist sowohl mit Unterschriften des Bauherrn (Josef Esters) als auch des Bauunternehmers und des Architekten „für Mies van der Rohe [Hermann] John“ versehen.

Grundriss des Obergeschosses von Haus Esters vom 20. Juli 1928.

Foto: Ja/Jochmann, Dirk (dj)

Die Pläne weichen vom gebauten Haus Esters ab

Was aber diese Grundrisse und Ansichten so wertvoll für die Forschung machen dürfte, ist, dass die auf ihnen gezeichneten Entwürfe teilweise massiv von dem tatsächlich gebauten Haus abweichen. Frappierend sind zunächst zwei ganz augenfällige Unterschiede zu dem ausgeführten Bau: So ist auf einem Plan vom 20. Juli die Front gänzlich anders, nämlich ohne den für das Haus charakteristischen Vorbau ausgeführt, und es ist ein weiteres Obergeschoss vorgesehen. Auf einem Plan vom 11. August wiederum ist der Vorbau schon sichtbar, ein weiterer indes nicht signierter Plan zeigt einen gänzlich anderen Grundriss, der nur wenig Ähnlichkeit mit dem ausgeführten Gebäude aufweist. Dass es sich hier aber um Pläne für das Haus Esters handelt, beweist der auf dem Blatt lesbare Titel „Dr. Esters Krefeld“. Als Kuriosum gesellt sich zu den Bauplänen noch ein aus dem „Atelier Mies van der Rohe“ stammender Entwurf eines Noten- beziehungsweise Zeitungsständers, allerdings aus dem Jahr 1930.

Auf vielen Plänen sind Unterschriften zu sehen.

Foto: Ja/Jochmann, Dirk (dj)

Dass es bei der Planung der Zwillingshäuser Haus Lange und Haus Esters, die doch recht unterschiedlich sind, – in Auftrag gegeben von den zwei Direktoren der Vereinigten Seidenwebereien Hermann Lange und Josef Esters – zu mehreren Umplanungen kam, ist nicht neu. Davon zeugt auch die lange Planungs- und Bauzeit zwischen 1927 und 1930. Es ließe sich fragen, erklärt Historikerin Stefanie van de Kerkhof, ob nicht zuletzt auch die Weltwirtschaftskrise ihre Auswirkungen auf Umplanungen, wie etwa den Verzicht auf ein weiteres Obergeschoss gehabt haben könnten. Dokumente über Aussagen der Bauherren oder des Architekten gebe es nicht. Gewiss ist indes, dass ursprüngliche, noch offenere, mit größeren Glasflächen versehene, Planungen Mies van der Rohes nicht umgesetzt wurden.

Die – vor allem für die Forschung aber auch für den Bauhaus-interessieren Museumsbesucher – überaus wertvollen Entwürfe müssen nach erster Begutachtung indes noch erforscht werden. Was die Provenienz anbelangt, gibt es Hinweise. Das Material soll wahrscheinlich bei dem Ankauf des Hauses Esters 1977 durch die Stadt, so Moß, an das Liegenschaftsamt gekommen sein. Wurde dann Jahre danach an das Stadtarchiv übergeben, aber nicht ad hoc verzeichnet. Wie es dazu kam, dass die Dokumente „vergessen“ wurden, und nicht schon beim Kauf des Hauses Esters ins Bewusstsein der Forschung gerückt oder zumindest vermerkt wurden, bleibt fraglich.

Dass nun Versäumnisse aus der Zeit durch einen Zufallsfund „geheilt“ wurden und die wertvollen Dokumente wieder das Licht der Öffentlichkeit erblicken konnten, darf als Glücksfall gelten. Denn sie sind eine wertvolle Ergänzung aus der Planungsphase zu den bereits bekannten Plänen im Archiv des MoMa (Museum of modern art in New York), jene sind allerdings größtenteils anhand von Stempeln auf 1931 datierbar.

Die Pläne sind zunächst im Foyer des Stadtarchivs (Girmesgath 120) ausgestellt und zu den regulären Öffnungszeiten zu besichtigten. Ob und wie der Fund in einer anderen Form im Rahmen des Bauhausjahres präsentiert wird, sei noch offen. Gespräche mit Museen wurden noch nicht geführt.