Interview Verkehr: SPD kritisiert Pläne des Bundes

Krefeld. Der Bundesverkehrswegeplan 2030 (BVWP) sowie die Ausbaugesetze für die Bundesschienen-, Bundesfernstraßen- und Bundeswasserstraßenwege sind beschlossen. Darin enthalten sind bundesweit rund 1000 Projekte.

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49,3 Prozent entfallen auf die Straße, 41,6 Prozent auf die Schiene und 9,1 Prozent auf Wasserstraßen. Einige große Projekte davon tangieren auch Krefeld: Vor allem der „Eiserne Rhein“, der sechspurige Ausbau der A 57 und ein neues Teilstück der B288.

Ihre Meinung zu dem zu erwartenden zusätzlichen Lärm hat die Stadt Krefeld in einer einvernehmlichen Stellungnahme vorab kundgetan. Die wurde gemeinsam von Vertretern der Bürgervereine, Fraktionen und der Verwaltung erarbeitet. Über die Folgen des Bundesverkehrswegeplanes sprechen als Vertreter im Regionalrat, SPD-Ratsherr Jürgen Hengst, und als Vorsitzende des Ausschusses für Stadtplanung, SPD-Ratsfrau Gabi Schock mit der WZ.

Was ist das Besondere des Bundesverkehrswegeplanes?

Jürgen Hengst: Der BVWP hat für die Infrastruktur eine extrem hohe Bedeutung. Was dort nicht drin steht, wird in den nächsten zehn bis 15 Jahren auch nicht angepackt. Umgekehrt heißt das aber nicht, was drin steht, wird unbedingt auch gemacht. Der Bund ist chronisch unterfinanziert. Die Finanzierung wird jährlich aus dem Bundeshaushalt entnommen nach einem Fünf-Jahres-Rahmenplan. Insgesamt hat der Verkehrswegeplan ein Volumen in Höhe von 269,6 Milliarden Euro.

Nach welchen Kriterien wird die Vergabe der Finanzmittel entschieden?

Hengst: Es gibt unterschiedliche Prioritäten. Die dringlichsten Aus- und Neubauprojekte sind als „Vordringlicher Bedarf“ (VB) eingestuft. Diese Priorität wird noch gesteigert von den Projekten zur „Engpassbeseitigung“. Aus unserer Sicht gilt der sogenannte vordringliche Bedarf für den Ausbaus der A 57 und für das derzeit zweispurige Teilstück der B 288 vor der Rheinbrücke auf Krefelder Gebiet.

Wieso wollen Sie die Priorität für die B 288 hochsetzen?

Hengst: Wegen der dringend notwendigen Sanierung der Brücke bei Leverkusen auf der A 1 und zweier weiterer kommt der Krefelder Rheinbrücke künftig eine höhere Bedeutung zu. Das Risiko von Riesenstaus nimmt zu, zumal die Krefelder Rheinbrücke nur eine begrenzte Tragfähigkeit zu Spitzenzeiten hat. Deshalb wollen wir im Regionalrat dieses Projekt in den vordringlichen Bedarf setzen, das Teilstück vierspurig ausbauen lassen und damit den Hafen von Norden aus besser anbinden.

Wie stehen die Chancen dafür?

Hengst: Von Bund und Land wird der Ausbau der B 288 akzeptiert. Auf Krefelder Gebiet könnte das Stück als Bundesstraße und nicht als Autobahn geführt werden. Ich kann soviel sagen, an den Planungen für die B 288 ist man dran, über den Zeitrahmen kann ich aber nichts sagen.

Das Ministerium hatte vor einigen Jahren die Dringlichkeit für den Ausbau der B9n, auch Westtangente genannt, zurückgestuft. Im Bundesverkehrswegeplan ist sie im Bedarf nun wieder als „vordringlich“ ausgewiesen. Wird sie realisiert?

Hengst: 45 Jahre lang hat sich die Politik mit dem Thema beschäftigt. Es bleibt abzuwarten, wie sich der Ausbau von A 57, A 44 und A 524 auswirken. Alle Experten glauben, dass die Westumgehung nicht kommt.

Bei den Planungen für Bundesfernstraßen besteht mehr Konsens als beim Güterschienenverkehr. Wieso?

Schock: Der Teil Güterschienenverkehr ist komplexer. Wir reden hier nicht nur über eine Strecke. Seit 18 Jahren wurde auf beiden Seiten der Grenze an einem Plan gearbeitet, der die historische Güterverkehrsstrecke von Roermond über Viersen nach Duisburg vorsieht. Diese Strecke werden wir aber nicht bekommen. Auch eine alternative Neubaustrecke entlang der A52 über Mönchengladbach hinaus bis mindestens zum Anschluss an die Bahntrasse Köln-Krefeld-Duisburg (in Höhe Kaarst) ist wegen der zu erwartenden Kosten nicht mehr im Bundesverkehrswegeplan enthalten. Es bleibt beim Status Quo.

Welche Güterverkehrsstrecke ist vorgesehen?

Schock: Wenn man sich den Plan im Detail anschaut, ist eine ganz neue Trasse zu sehen, die aber nicht „Eiserner Rhein“ genannt wird. Auf niederländischer Seite soll Venlo mit seinem neuen Trade Port als Verknüpfungspunkt für Wasser, Schiene und Autoverkehr angebunden werden an die Häfen Amsterdam, Rotterdam und Antwerpen. Von Venlo aus soll der Güterverkehr über Kaldenkirchen, Dülken, Viersen und Krefeld ins Ruhrgebiet geleitet werden. Derzeit ist die Strecke einspurig, bis vor dem Zweiten Weltkrieg war sie aber zweispurig. Der zweispurige Ausbau ist vorgesehen.

Und wo ist der Haken?

Schock: In Viersen will man die sogenannte Viersener Kurve bauen. Darüber soll die Bahnstrecke Venlo-Viersen mit der Bahnstrecke Mönchengladbach-Ruhrort-Duisburg verbunden werden. Im Bundesverkehrswegeplan soll die Kurve wieder einspurig sein und die Strecke dann auf dem Eisernen Rhein nach Duisburg führen. Was das für eine Belastung für Krefeld bedeutet, darüber gibt es keine Zahlen. Das müsste aber im BVWP drin stehen. Rund 80 000 Krefelder wären von diesem zusätzlichen Güterverkehr betroffen. Nicht nur wegen der zusätzlichen Verkehre, sondern weil es für bestehende Strecken keine zusätzlichen Lärmschutzmaßnahmen gibt.

Hengst: Die Viersener Kurve in ihrer Handhabung Richtung Ruhrgebiet ist extrem schwierig, deshalb ist Krefeld gegen die Realisierung. Wir sind optimistisch, deshalb die Neubau-Variante wieder ins Spiel bringen zu können.

95 Prozent aller Verkehre sind für den Gütertransport auf der Schiene vorgesehen. Wie kann denn der Personenverkehr dann überhaupt noch verbessert werden?

Schock: Es gibt Bemühungen, auf dem ersten Teilabschnitt zwischen Kaldenkirchen und Dülken auch Personenverkehre fahren zu lassen. Die Rede ist von der sogenannte „Rock Line“. Laut einer Studie der Projektinitiative RoCK (Regions of Connected Knowledge) ist der Nutzen der Strecke 17,7 mal größer als ihre Kosten. Das wäre für uns ein begrüßenswertes Projekt. Deshalb haben wir auch darüber diskutiert, den reinen Güterverkehr entlang der A52 zu führen. Wenn künftig mehr Verkehre auf die Schiene sollen, wäre diese Variante sinnvoller.

Ist der politische Zug für eine solche Lösung denn dann abgefahren?

Hengst: Das wird noch nicht das letzte Wort dazu gewesen sein. Schock: Unsere Wachsamkeit ist im nächsten Jahr gefragt. Wenn das Thema Güterschienenverkehr kommt, dürfen wir uns nicht auseinander dividieren lassen, sondern müssen mit einer Sprache sprechen. Dass das geht, haben wir mit der gemeinsam erarbeiteten und getragenen Stellungnahme ja schon einmal gezeigt. Sollte der BVWP nicht geändert werden, würden nicht nur die Verkehre vom Hafen Antwerpen, sondern auch die Verkehre vom Rotterdamer Hafen als südlicher Bypass der Betuwe-Linie durch Krefeld fahren. Und dies in einem stärkeren Maße, als wir in den 15 Jahren zuvor befürchtet hatten.