NACH DER WAHL Vier Dinge, die uns die Europawahl in Krefeld lehrt

Krefeld · Auf den ersten Blick haben ausschließlich die Grünen gewonnen. Tatsächlich hilft das Ergebnis aber auch anderen - nur der SPD und dem Oberbürgermeister nicht.

Die SPD betrachtet die Prognose zur Europawahl, unter anderem der Parteivorsitzende Ralph-Harry Klaer (2.v. l.), Oberbürgermeister Frank Meyer (Mitte) und Fraktionschef Benedikt Winzen (3. v. re.).

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Die CDU ist der heimliche Wahlgewinner. Die Christdemokraten haben, je nachdem, welche der jüngsten Wahlen man heranzieht, fünf bis sieben Prozentpunkte verloren, sie liegen in Krefeld nun bei deutlich unter 30 Prozent. Folgerichtig berichteten die prominenten Vertreter der Partei von unschönen Gefühlen aus der Magengegend am Sonntagabend. Ein bisschen Balsam ist beim zweiten Blick auf das Ergebnis aber drin. Die CDU hat in Krefeld ihren stärksten Kontrahenten verloren. Die SPD lag bis vor kurzem gleich auf. Bei der Kommunalwahl 2014 waren die Sozialdemokraten noch mit einem Vorsprung von einem Prozentpunkten stärkste Kraft. Das muss die CDU im September nächsten Jahres nicht mehr fürchten. Und noch scheinen die Grünen die Rolle des Konkurrenten auf Augenhöhe nicht ganz einnehmen zu können.

Die Grünen brauchen nach den Wählern nun auch Mitglieder. Diejenigen, die sich am Wahlabend nicht mit den Grünen freuen mochten, sprachen von einer „Momentaufnahme“ oder „puren Emotionen“, die das starke Ergebnis (24,5 Prozent) bedingt hätten. Selbst wenn diese Ursachenforschung stimmt, heißt das nicht, dass die Grünen das Ergebnis bei der Kommunalwahl nicht wiederholen. Das lehrt der Blick nach Baden-Württemberg. Dort wurde 2011 ein Grüner überraschend Ministerpräsident und alle sprachen vom Fukushima-Effekt. Ministerpräsident wurde Winfried Kretschmann allerdings mit rund 24 Prozent und als zweitstärkste Kraft. Fünf Jahre später lag er mit mehr als 30 Prozent an der Spitze des Feldes.

So oder so beschert der starke Anstieg der Stimmen den Grünen ein Problem. Sie müssen genügend Anhänger finden, die sie nicht nur wählen, sondern auch aktive Mitglieder werden, also für den Stadtrat oder eine Bezirksvertretung kandidieren oder in der Partei ein Amt übernehmen. Ohne mehr und gute Leute wird es den Grünen schwerfallen, die nun in sie gesetzten Hoffnungen zu erfüllen.

Die SPD hat ein Problem, der Oberbürgermeister unter Umständen auch. Gerade weil die Krefelder Sozialdemokraten besser abgeschnitten haben als ihre Partei bundesweit (18,3 Prozent), ist eines klar: Unabhängig von Berliner Effekten sind Potenzial und Zielgruppen der Partei merklich geschrumpft. Sie erreicht mit ihren Themen in einigen Teilen der Stadt noch 20 bis 25 Prozent der Wähler. Das aber, das im Vergleich zu früheren Jahren verloren gegangen ist, ist jetzt bei anderen. Das könnte auch für Frank Meyer zum Problem werden. Der Oberbürgermeister genießt einen guten Ruf und wird bei der Wahl im Herbst 2020 sicher davon profitieren, dass es sich um eine stark personalisierte Wahl handelt. Aber ein OB-Kandidat der Grünen könnte ihn trotzdem zu viele Stimmen kosten, insbesondere wenn sich CDU und FDP auf einen gemeinsamen Kandidaten verständigen.

Die FDP hat immer noch eine komfortable Situation, aber eine andere. Ordentliche Gewinne und ein vernünftiges Ergebnis (7,6 Prozent) prägten den Wahlabend der Liberalen. Das hilft allerdings wenig, wenn es mit möglichen Partnern nicht mehr zur Mehrheit reicht. Es gibt vorsichtige Annäherungsversuche zwischen CDU und FDP, mal verweisen Vertreter auf die gemeinsame Landesregierung, mal auf gemeinsame Nenner. Eine Mehrheit im Stadtrat ist aktuell nicht in Sicht, die OB-Wahl bietet dagegen eine Möglichkeit. Wenn die Grünen tatsächlich einen eigenen Kandidaten nominieren, erhöht das die Chancen für das bürgerliche Lager – vorausgesetzt CDU und FDP schaffen es, sich auf einen Kandidaten zu einigen.