Flachlandtiroler lernen Fingerspitzengefühl für Steirische Wenn Heimatluft gepresst wird
Krefeld · Im Selbstversuch geht’s an eine Harmonika – wenn man nur mehr Finger hätte.
Musiklehrer Johannes Petz, am Fuß der Zugspitze beheimatet, bringt es auf den Punkt: „Ihr holts a bisserl Luft und mit wenigen Knöpfen ertönt viel Musik.“ Wobei mit Luftholen nicht Atmen gemeint ist, sondern die Steirische Harmonika auseinanderzuziehen. In einem Workshop haben sich am Samstagmorgen ein Dutzend Flachlandtiroler zusammengefunden, um die Grundlagen des Instruments nach der propagiert einfachen Methode von Professor Florian Michlbauer aus Österreich zu erlernen. Ich bin dabei.
Alle sind gespannt, ob alles so leicht ist wie versprochen
Rund ein Dutzend wissbegieriger Schüler sitzt im Nebenraum der Brauerei Gleumes. Wir sind alle gespannt, ob es wirklich so leicht ist, dem „wechseltönigen Handzuginstrument mit Knopf-Tastatur“ die richtigen Töne zu entlocken. Einige Profis haben sich eingeschmuggelt. Sie spielen „die Steirische“ schon länger, wollen aber Michlbauers Methode kennenlernen. Hans-Jürgen Walter und Irmi Jansen aus Geldern sind bereits seit 14 Jahren begeisterte Spieler und treten mit einem weiteren Mitglied als Gelderland Trio für den guten Zweck auf. Ebenso nicht ganz frei von Vorkenntnissen ist Jolanda Derks aus Holland, das recht weit von den Alpen entfernt ist. Sie schwärmt für das Instrument und hat ihr eigenes dabei.
Zu den Neulingen gehört José Pelz. Er ist aus Borken angereist. „Ich habe erstmals eine Steirische in den Händen. Dass man mit so wenigen Tasten so viel anfangen kann; ich habe Gänsehaut“, erklärt sie. Heinz Engels kommt aus Köln, spielt nach eigenen Angaben „leidlich Posaune“, mag aber die Egerländer Musikanten. „Die Steirische“ findet er toll. Geradezu „von nebenan“ ist Michael Gisbertz. Er ist zu Fuß gekommen. „Vor 20 Jahren habe ich schon einmal gespielt. Jetzt will ich nochmal angreifen“, sagt er und lacht.
Los geht es mit den Instrumenten. Sie sind nicht so schwer wie sie aussehen. Unsere besitzen etwa fünf Kilo. Mir wird mulmig. Da gibt es diese lange schwarze Lufttaste, um den Blasebalg zu aktivieren. Rechts sind Knöpfe mit den richtigen Fingern zu bedienen, links auch. Man muss den Balg – auch wenig fachmännisch Heimatluftkompressor genannt – drücken und ziehen und möglichst die Tonfolge treffen.
Zur Anschauung spielen die Lehrer Florian Michlbauer, Johannes Peltz und Nora Freisberg, Letztere ist aus Krefeld, und singen noch den Begrüßungsmarsch dazu. Ich habe hier genug zu tun, die ersten Funktionen des Instruments auf die Reihe zu bekommen. Das Jodel-Diplom mache ich später.
Erfreulich ist: Das Instrument gibt bei gleicher Taste einen anderen Ton, wenn es gezogen oder gedrückt wird. „So ist es wie ein Kinderspiel, dass es nach etwas klingt.“ Und wirklich: Es ertönt ein satter Sound. Michlbauer: „Ich tu nur ziehen und drücken und mache schon so ’nen Wirbel.“ Die Fachleute betonen: „Mit der zweistimmigen Tonleiter auf 15 Tasten ist es möglich, 500 Lieder zu spielen.“
Ich habe das Pech, zufällig ein G-Instrument zugeteilt zu bekommen und muss mit den Vorbelasteten in Sachen „Steirische“ üben, die anderen haben ein B-Instrument. Das macht die Sache für mich nicht einfacher. Johannes Petz hat unsere Hände im Blick und sofort jeden Fehlgriff im Ohr. Er lächelt aufmunternd. Ich erinnere mich: Meine Fingerübungen fürs Klavier fanden in Kindheitstagen statt. Das ist lange her. Da hilft mir auch der Hinweis von Florian Michlbauer wenig, dass nur zwei Prozent der Menschen nicht für Musik geeignet sind. José Pelz hat Probleme mit der Lage des Daumens auf den Knöpfen – ich bin nicht alleine.
Die Tasten liegen alle anders
als bei anderen Instrumenten
Mit Hilfe eines dünnen Hefts mit „Griffschrift“ geht es nun Schritt für Schritt besser: Griff um Griff. Und wirklich. Die ersten Töne sind gar nicht so schwer, wenn man gesagt bekommt, wo die Finger hingehören. Petz erklärt: „Mit ,Alle meine Entchen’ anzufangen, bringt auf der Steirischen gar nichts. Die Tasten liegen alle anders als auf gewohnten Instrumenten.“
Wir lernen ganze und halbe Noten kennen und wissen nun, dass der Strich unter den Notenlinien bedeutet, die Harmonika zusammenzudrücken. Und da war doch was: Das gibt einen anderen Ton. Die Bässe spielt man kurz, durch kurzes „Antupfen“. Die Finger bleiben immer locker auf den Tasten liegen. Alle sind mit Eifer dabei, finden es total Klasse und haben „Blut geleckt“. Nicht zuletzt, da der Lehrer sympathisch rüberkommt, der Unterricht locker abläuft und nach etwa 90 Minuten wirklich die „ersten Stückl’n“ der Flachlandtiroler erklingen. Es hat richtig Spaß gemacht. Da sind wir uns alle einig.