Wetter Warum die Wetterdaten in Tönisvorst und nicht in Krefeld genommen werden

Krefeld · Auf dem Bauernhof von Peter Joppen wurde vor drei Jahren der immer noch aktuelle Hitzerekord gemessen – 41,2 Grad. Aber was ist da so Besonderes in Tönisvorst, was es nicht in Krefeld gäbe.

Landwirt Peter Joppen an der Wetterstation auf seinem Bauernhof, an der vor drei Jahren der Hitzerekord gemessen wurde.

Foto: Reimann, Friedhelm (rei)

Das Phänomen ist nicht neu. Es existieren sogar Studien, die nahelegen, will man etwas von jemanden, redet man am besten als Erstes übers Wetter. Über Small Talk eine angenehme Atmosphäre schaffen, dann fällt es leichter, schwierige Dinge anzusprechen.

Übers Wetter lässt sich also immer plaudern und in Zusammenhang mit Hitzewellen fand immer öfter Tönisvorst Erwähnung. Es ist sogar amtlich, dass der Hitzerekorde in Deutschland, also die jemals erfasste höchste Temperatur, gleichzeitig in Tönisvorst und Duisburg-Baerl gemessen wurde: am 25. Juli 2019 zeigte an den beiden Messstationen der Wert 41,2 Grad an. Selbst die beiden Hitzetage in der vergangenen Woche kamen an diesen Rekordwert nicht heran. Aber was ist da so Besonderes in Tönisvorst, was es nicht in Krefeld gäbe, wo es doch mindestens gefühlt so heiß ist.

Tatsächlich steht von den 156 Stationen des Deutschen Wetterdienstes in Nordrhein-Westfalen keine einzige in Krefeld, wie Jörn Bremer von der Regional-Messnetzgruppe Offenbach, Außenstelle Essen, bestätigt. Die nächstgelegene zu Krefeld ist eben jene in Tönisvorst. Deshalb findet sie stets bei der Beschreibung des Wetters Erwähnung und seit drei Jahren mit dem gemessenen Hitzerekord eben auch zu nachhaltiger Nennung im Zuge des menschengemachten Klimawandels und extremeren Hitzeperioden. Diese hängen mit dem sogenannten Jetstream – also großen Windbändern in fünf bis zehn Kilometer Höhe – zusammen, dessen Zirkulation sich verändert hat.

Die Vergleichbarkeit der erhobenen Daten ist wichtig

Die Anlage in Tönisvorst steht auf privatem Grund und Boden, auf dem Bauernhof von Peter Joppen im Stadtteil Vorst. Am 1. Dezember 2004 wurde sie dort vom Deutschen Wetterdienst (DWD) eingerichtet. Es ist eine voll automatisch arbeitenden Anlage. Zuvor war eine Wetterstation seit dem 17. Oktober 1952 in St. Tönis. Von 1848 bis 1955 befand sich eine sogenannte Klimastation in Krefeld-Mitte. In Tönisvorst bei Joppens werden fünf Parameter gemessen: die Lufttemperatur in zwei Meter Höhe und fünf Zentimeter über dem Boden, die relative Luftfeuchtigkeit, sowie der Niederschlag in ein Meter Höhe. Im Winter wird über einen Schneepegel die Schneehöhe gemessen und der Wassergehalt des niedergegangenen Schnees. Um den Messfühler herum muss ein Areal von 1,5 x 1,5 Meter Größe von jeglichem Bewuchs freigehalten werden. Als die Anlage von knapp 18 Jahren eingerichtet wurde, kostete sie rund 20.000 Euro.

Der Umstand, dass in Krefeld keine Wetterstation platziert ist, habe, so Bremer, einen einfachen Grund. Um verlässliche Daten für die Beschreibung des Wetters auszuwerten, braucht es eine Vergleichbarkeit der erhobenen Daten. Um diese Daten zu erheben, bieten sich üblicherweise eher Messpunkt in großen Flächen an und weniger in Ballungsräumen. Diese ließen sich zudem, sollte man dort messen, schwerer mit vergleichbaren Daten aus anderen Ballungsräumen abgleichen, weil eben diese Zentren jeweils anders strukturiert seien.

An 14 Standorten werden alle Parameter gemessen

Die 156 Standorte in NRW, an denen gemessen wird, sind nicht willkürlich gewählt. Dahinter steht ein sogenanntes Messnetz-Konzept. Abstände zwischen einzelnen Station sind klar definiert. In NRW gibt es von den 156 insgesamt 14 Standorte, an denen alle Parameter gemessen werden. Diese 14 Stationen sind in Abständen von 50 bis 60 Kilometer zueinander. Im Einzelnen sind das Aachen, Königswinter, Flughafen Köln/Bonn, Flughafen Düsseldorf, Münster, Ahaus, Essen, Lüdenscheid, der Kahler Asten, Warburg, Werl, Bad Lippspringe, Bads Salzuflen und Lüdge/Paenbruch. Die 90 vollautomatisch arbeitenden Messstationen, wie auch jene in Tönisvorst, stehen zumeist in einem Abstand von 20 bis 30 Kilometern, kleinere Stationen befinden sich im Umfeld in Mindestabständen zueinander von teilweise nur fünf Kilometern.

Erfassung der Messdaten erfolgt in einem Gitterpunkt-Modell

Den Aufbau des Wetternetzes mit den 156 Stationen in NRW kann man sich vergleichbar mit einem Netz für Telekommunikation vorstellen. Das muss flächendeckend jeden Zipfel erfassen, um die permanente Erreichbarkeit zu gewährleisten. So ist das auch beim Wetter, gedacht als Gitterpunktmodell. Wird nicht jeder dieser Gitterpunkte in der Fläche erreicht, sind für eine Vorhersage die Modelle nicht vergleichbar, weil sich ein Datenloch auftut und dort keine Messwerte erhoben worden sind. Im Bereich der Wettervorhersagemodelle werden rechnerisch Gitterpunkte im Anstand von zwei mal zwei Kilometer gelegt, am Boden und in der Höhe. Das Gitterpunkt-Modell wird rechnerisch interpoliert, weil es ansonsten tausende Messstationen geben müsste im Land, an denen die Daten erhoben werden. Das ist weder messtechnisch abdeckbar noch finanzierbar sowie mit Personal zu versorgen, sagt Bremer.

Mit den Joppens hat der DWD einen sogenannten Gestattungsvertrag abgeschlossen. Eine Vertragsgrundlage ist notwendig, damit die Gestatter-, Beobachter- und Betreuer wissen, was sie in den einzelnen Fällen tun müssen. Der DWD zahlt im ehrenamtlichen Bereich eine steuerfreie Aufwandsentschädigung. Zweimal im Jahr wird die Anlage durch den DWD gewartet – immerhin kommt es bei Rekordwerten auf die Zahl hinter dem Komma an.