Hofflohmarkt nach Haushaltsauflösung Das Erbe weckt so manche Erinnerungen
Bockum · Beim Ausräumen des Elternhauses hat Ulrike Karpa zahlreiche Schätzchen entdeckt, die sie an ihren Vater und ihre Mutter erinnern. Auch Dokumente aus dem Zweiten Weltkrieg sind dabei. Einen Teil davon verkauft sie im August auf einem Hofflohmarkt.
An das mit Füller selbst geschriebene Rezeptbuch der Mutter mit dem Kriegskuchen, der Rübenkraut als Zutat hatte, kann sie sich nicht erinnern. Den Muff aus gestreiftem Samt, der einen ausklappbaren Bücherhalter hat, um auch bei Kälte lesen zu können, kennt sie genau, ebenso wie die Ausgabe von „Der kleine Prinz“ von 1970. Anhand der Fahr- und Eintrittskarten des Vaters kann sie seine Deutschlandreisen nachvollziehen.
Ulrike Karpa ist 56 Jahre alt. „Ich denke, wie mir geht es vielen erwachsenen Kindern, die nach dem Tod ihrer Eltern den Nachlass durchsehen. Durch das Erbe, das die Elterngeneration hinterlässt, lerne ich Vieles noch einmal oder neu kennen. Es ist ein spannender Prozess.“
Das sagt auch Diplom-Psychologe Georg Rupp: „Mit der Zeit findet der Trauernde den Verstorbenen in vielen kleinen Alltagssituationen und Gegenständen wieder. Er erinnert sich, durchlebt noch einmal gemeinsame Erlebnisse. In dieser Phase akzeptiert der Hinterbliebene den Verlust. Trauer und Schmerz sind nicht mehr dominant. Der Mensch beginnt, nach vorne zu schauen und seine Zukunft aktiv zu gestalten.“
Dokumente aus dem Zweiten Weltkrieg und alte Platten
So ergeht es auch Karpa. Sie erzählt: „Mein Vater, Günther Paas, war eng mit dem Verberger Turnverein verbunden – als Vorsitzender und Leiter der Wandergruppe. Meine Mutter, Helga Paas, agierte bis zu ihrem Tod als engagierte Hobby-Biogärtnerin. „Bei der Durchsicht der Gegenstände lerne ich sie noch einmal neu kennen. Erinnerungen werden wach.“
Seit Wochen stöbert sie in den Tiefen der Bücherregale, Schubladen, Kleiderschränke, Regale und des Kellers. „Dabei treffe ich auf interessante oder berührende Zeitzeugnisse, die mich manchmal auch melancholisch machen.“
So finden sich Belege über die angeordnete Evakuierung der Familie ihrer Mutter im Zweiten Weltkrieg oder alte Geldscheine mit dem Aufdruck „10 Millionen“ in den Schubladen. Alte Schallplatten von großen Opern und Operetten bis zu Jazz und Rock ‘n‘ Roll sind ebenso vorhanden, wie eine Eintrittskarte in den Jazzclub vom 1. April 1957. Fotografien Krefelder Landschaften und auch drei Kisten mit Knöpfen hat sie aufgestöbert. „Meine Eltern hoben alles auf, für ,schlechte‘ Zeiten.“
Es gibt interessante Reisetagebücher des Vaters, der gleich nach dem Zweiten Weltkrieg nach und nach ganz Deutschland bereist hat und alle Eintritts- und Bahnkarten aufgeklebt und kurze Erinnerungssätze dazu geschrieben habe. So könne Karpa seine Touren nachvollziehen, bis hin zum Turnfest 1953 in Hamburg.
Wahrlich wehmütig wurde die 56-Jährige, als sie den Fleischwolf samt Vorsatz im Keller fand, mit dem sie und ihre Mutter ehedem Spritzgebäck geformt haben. „Den Duft der sechs Bleche mit den frisch gebackenen Plätzchen hatte ich sofort wieder in der Nase.“