Berufswelt Wenige Krefelder Väter nehmen Elternzeit
Ralf Sibben von der Unternehmerschaft Niederrhein ist sich sicher, dass Firmen von den Sozialkompetenzen durch die Kinderbetreuung profitieren.
Krefeld. Ein zufällig ausgesuchter Beispielarbeitgeber: Bei Haus & Grund Krefeld/Niederrhein sind elf Männer und Frauen beschäftigt. Darunter ist ein Vater, der keine Elternzeit genommen hat. Dafür hätten viele Mütter diese Möglichkeit genutzt, sagt Michael Heß vom regionalen Eigentümerverband. Heß bestätigt damit offizielle Angaben: In Krefeld haben laut Statistischem Bundesamt 395 Väter, deren Kind im Jahr 2014 geboren wurde, Elterngeld bezogen.
Diese Zahl nennt die Krankenversicherung IKK classic. „Damit haben nur 21,4 Prozent der Väter in Krefeld eine Elternzeit genommen, während es im NRW-Durchschnitt 26,8 Prozent waren“, sagt Michael Lobscheid von der IKK. „In Krefeld liegt das durchschnittliche monatliche Elterngeld bei den Vätern bei 1193 Euro, das der Mütter bei 656 Euro.“ Eine enorme Diskrepanz, die einen Teil der Erklärung sein dürfte, weshalb wenige Männer daheim bleiben.
Denn die Höhe des Elterngeldes richtet sich nach dem Nettoeinkommen, das der betreuende Elternteil vor der Geburt des Kindes hatte. Grundlage der Berechnung sind in der Regel die Lohn- und Gehaltsbescheinigungen der letzten zwölf Kalendermonate vor der Geburt des Kindes. Das Elterngeld ersetzt mindestens 65 Prozent des nach der Geburt des Kindes wegfallenden monatlichen Erwerbseinkommens. Es beträgt mindestens 300 Euro bis maximal 1800 Euro. „Den Eltern stehen gemeinsam insgesamt 14 Monate zu, wenn sich beide an der Betreuung beteiligen und den Eltern dadurch Einkommen wegfällt. Sie können die Monate frei untereinander aufteilen. Ein Elternteil kann dabei mindestens zwei und höchstens zwölf Monate für sich in Anspruch nehmen.“ So steht es auf der Homepage des zuständigen Bundesfamilienministeriums.
Was sagt die hiesige Wirtschaft zu den nicht mal 400 Vätern in Elternzeit? „Nach unserer Einschätzung liegt es daran, dass es noch immer das Rollenbild des Vaters als finanzieller Versorger der Familie gibt“, sagt Ralf Sibben, Hauptgeschäftsführer Unternehmerschaft Niederrhein. Ein weiterer Grund sei wahrscheinlich auch die Sorge vor Nachteilen im Beruf, wenn Väter „temporär aussteigen“.
Wie sieht es diesbezüglich denn mit der Unterstützung durch den Arbeitgeber aus? „Sicherlich ist es nicht in allen Betrieben gleich. Aber die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist in vielen Unternehmen ein wichtiges Thema und es gibt diverse Möglichkeiten und Spielräume“, sagt Sibben. Personalverantwortliche berücksichtigten bei der Suche nach Fachkräften auch die sogenannte Work-Life-Balance — und dazu gehöre auch Flexibilität bei der Kinderversorgung. „Dass Väter, die sich um ihr Kind kümmern, an Sozialkompetenz gewinnen, liegt zudem auf der Hand. Das kann Arbeitgebern nur recht sein.“
Schwierigkeiten könne es dann geben, wenn der „Elternzeitberechtigte“ aufgrund veränderter familiärer Situationen längere oder kürzere Elternzeit in Anspruch nehmen wolle oder müsse. Dann seien Arbeitgeber in der häufig nicht ganz leichten Situation, reagieren zu müssen. „Das hat weitreichendere Auswirkungen — insbesondere dann, wenn Ersatzkräfte eingestellt wurden“, erklärt der Chef der Unternehmerschaft.
Der Arbeitgeberverband geht laut Sibben davon aus, dass sich das Bewusstsein für Familie und die Vaterrolle weiter, allerdings nur langsam verändern wird. „Und zwar dahingehend, dass mehr Väter — auch längere Zeit — Elternzeit in Anspruch nehmen.“ Viele junge Männer wollten ihre Kinder nicht nur nach einem langen Arbeitstag sehen. „Sie wollen an Versorgung und Erziehung teilhaben und stellen ihr berufliches Engagement zurück.“ Das Bild von Familie verändere sich ohnehin. „Da sollten Väter mit Kinderwagen nichts Besonderes mehr sein.“