Wird die Drehbrücke zweispurig? (mit Video)
Die 750 Tonnen schwere Konstruktion ist ein denkmalgeschütztes Wunderwerk, aber auch ein Hindernis.
Krefeld. „Hans, mach zu.“ Die drei Wörter an der Drehbrücke setzen eine wahre Kettenreaktion in Gang, die — genau genommen — bis nach Norwegen reicht. Als erstes wird die Durchfahrt für den Straßenverkehr auf der Hafenstraße per Kelle gesperrt, dann der Riegelbolzen an der Brücke umgelegt. Folge ist: Die Brücke wird durch Wasserdruck 15 Zentimeter angehoben. Lautlos gleiten danach 750 Tonnen Stahlkonstruktion auf einem Wasserbett zur Seite. Die Brücke stellt sich quer und das norwegische Küstenmotorschiff (Kümo) „Twister“ kann passieren.
Rund 45 Minuten dauert der Drehvorgang, wenn nur ein Schiff in oder aus Richtung Hafenbecken passiert. Eigentlich ist das für den ganzen Vorgang nicht viel Zeit. Doch für die wartenden Auto- und Lastwagenfahrer bedeutet Zeit oft Geld. „Aus verkehrstechnischer Sicht ist die Brücke ein Nadelöhr und nicht optimal, zumal der Verkehr zunimmt“, sagt Ralf Schopp, Abteilungsleiter im Hafenbetrieb. „Die Wagen können jetzt nur einspurig fahren. Im Entstehungsjahr 1905 fuhr sogar noch die Eisenbahn darüber.“
Im Juni findet im Wechsel mit der regelmäßigen Haupt- nun die fällige Zwischenuntersuchung statt. Dabei wird geprüft, ob die Drehbrücke im Linner Hafen für den Straßenverkehr zweispurig ausgebaut werden kann.
Schon lange wird überlegt, wie der Hafen für den Verkehr besser angebunden werden kann. In den zuständigen Ausschüssen wird die Einleitung eines Bebauungsplanverfahrens zur Anbindung an die B 288 beraten.
Die Hafendrehbrücke bleibt davon unberührt. Ralf Schopp: „Es wird aber ein ingenieurtechnisches Gutachten erstellt, das die Verkehrssicherheit prüft. Ein Maßnahmenkatalog soll dann mit der Denkmalbehörde ausgewertet werden.“
Wie gut die Leistungsfähigkeit der deutschen Brückenwertarbeit ist, zeigte sich, als im Jahr 2013 einer der beiden Brückenmotoren defekt war. Schopp: „108 Jahre haben sie funktioniert. Der eine hebt die Konstruktion, der andere dreht. Der zweite wurde in diesem Zusammenhang ebenfalls überprüft.“
Auch jetzt schnurrt die Technik lautlos. Die Brücke dreht sich nach rechts - das Küstenmotorschiff passiert - und später wieder zurück. Mit Fingerspitzengefühl lässt sie Techniker Hans Schaffhausen wieder exakt in ihre Ausgangsstellung zurückfahren. Die Parkposition ist erreicht.
Sein Kollege Rainer Stuffertz steigt dann die steilen Eisentreppen hinab ins kühle Maschinenhaus, das im Mittelpfeiler untergebracht ist. In der Mitte prangt der gut gefettete gusseiserne Dreh- und Angelpunkt, der die Brücke anhebt. „Dazu wird mit 97 bar Wasser unter die Konstruktion gepumpt, um die Brücke etwa 15 Zentimeter zu heben. Im Vergleich: Ein Autoreifen besitzt 2,5 bar“, erklärt Stuffertz.
Zwei mannshohe rot angestrichene Handräder fallen im Maschinenhaus auf. „Sie werden im Notfall mit viel Muskelkraft per Hand gedreht, falls die Technik ausfällt“, erklärt Schopp. „Aber das war noch nicht nötig.“ Eine moderne digitale Anzeige stellt dar, wie viel Meter Platz zwischen der Wasseroberfläche und dem Brückenboden herrschen.
„Schiffe, die passieren wollen, um die Betriebe im Hafenbecken zu erreichen, müssen sich 24 Stunden vorher in der Hafenmeisterei anmelden, damit die notwendigen drei Mitarbeiter parat stehen“, berichtet Hafenmeister Peter Plarre. „Wir öffnen mindestens einmal pro Woche für das Küstenmotorschiff ,Twister‘. Bei Hochwasser drehen wir öfter und dann passieren die Schiffe auch im Konvoi, damit wir die Straße nicht so oft sperren müssen.“
An diesem Tag stehen die drei Männer gegen 22 Uhr wieder parat. Dann nämlich fährt „Twister“ wieder nach Norwegen.