Wirtschaft Brexit wirkt sich auf Firmen aus
Krefeld · IHK: „Unternehmen müssen sich nun auf den schlimmsten Fall einstellen.“
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein bedauert, dass das britische Parlament den Entwurf eines Brexit-Abkommens mit der Europäischen Union abgelehnt hat. „Die Unternehmen müssen sich nun auf ein Worst-Case-Szenario einstellen“, kommentiert IHK-Hauptgeschäftsführer Jürgen Steinmetz das Votum des Parlaments. Denn höchstwahrscheinlich werde es zu einem ungeregelten EU-Austritt der Briten kommen.
„Das Abstimmungsergebnis ist eine sehr schlechte Nachricht für die intensiven deutsch-britischen Wirtschaftsbeziehungen, wenn die Briten tatsächlich die EU ohne Deal verlassen. Danach sieht es nun aus, auch wenn die politische Lage in Großbritannien konfus bleibt“, erklärt Steinmetz. „Dieser ungeregelte Austritt würde dann den Geschäftsverkehr schlagartig verkomplizieren und zu teilweise chaotischen Zuständen führen.“ Dass der No-Deal-Brexit auch für die Unternehmen am Niederrhein spürbare Folgen haben wird, darauf weist eine aktuelle Umfrage der IHK hin.
Zoll- und Passkontrollen könnten wieder eingeführt werden
Ein ungeregelter Austritt hätte zur Folge, dass das Vereinigte Königreich nicht mehr der Zollunion und dem europäischen Binnenmarkt angehört. „Damit würde das Land handelsrechtlich gegenüber der EU auf den Status eines Drittstaates zurückfallen“, erläutert Steinmetz. „Zoll- und Passkontrollen würden kurzfristig wieder eingeführt. Im Zuge dessen wäre mit kilometerlangen Lkw-Schlangen an der britischen Grenze zu rechnen.“ Großbritannien war 2017 der fünftwichtigste Auslandsmarkt der nordrhein-westfälischen Wirtschaft. Steinmetz: „Über ein Drittel der ins Königreich verkauften Waren und Dienstleistungen entfiel dabei auf die Bereiche Maschinen, Chemie, Metall, Nahrung, Textil und Bekleidung – Branchen, die auch die Wirtschaftsstruktur am Mittleren Niederrhein prägen.“
Dass sich der Brexit auch auf die hiesige Region auswirken wird, zeigt eine IHK-Analyse. Im Dezember und Januar hatte die IHK bei einer repräsentativen Umfrage Unternehmen gefragt, welche Auswirkungen der Brexit für ihr Geschäft haben wird. 32 Prozent der Unternehmen aus produzierenden Branchen, Großhandel und Dienstleistungen rechnen mit negativen Folgen, nur 2,3 Prozent gehen von einem positiven Einfluss des Austritts Großbritanniens auf das eigene Geschäft aus. „Insbesondere in der Industrie ist die Verunsicherung groß. Bei den Betrieben dieser Branche rechnen 41 Prozent mit negativen Auswirkungen“, erklärt Steinmetz. Aber auch ein Teil der Großhändler (36 Prozent) und jeder vierte Dienstleister befürchtet eine Schwächung des eigenen Ergebnisses aufgrund des EU-Austritts Großbritanniens. „Wir sind eine Region mit einer starken Exportwirtschaft, für die der Brexit große Relevanz hat. Die negative Entscheidung des Parlaments wird die Sorgen der Unternehmen noch größer machen“, so der IHK-Hauptgeschäftsführer.
Der abgelehnte Entwurf eines Abkommens zwischen Großbritannien und der EU hatte vorgesehen, dass trotz Austritts wirtschaftlich bis Ende 2020 alles beim Alten bliebe. Danach sollte das Vereinigte Königreich Mitglied einer Zollunion mit der EU werden, bis die zukünftigen Beziehungen ausgehandelt worden sind. Als wahrscheinlichste Variante gilt nun ein umfassendes Freihandelsabkommen zwischen Brüssel und London. „Der geregelte Ausstieg mit Übergangsphase bis Ende 2020 hätte allen Beteiligten mehr Zeit gegeben, die zukünftigen Beziehungen zueinander wirtschaftsfreundlich zu gestalten“, erklärt Steinmetz. Auch Christoph Rochow, Geschäftsführer der Transportfirma Stromps + Co., hatte kürzlich der WZ erklärt, die Firmen brauchten Zeit, um sich auf den Brexit vorzubereiten. Derzeit gebe es aber nur Unsicherheit.
Die IHK bietet den Betrieben ihre Unterstützung an. So können Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen nach Großbritannien anhand einer Checkliste prüfen, welche Unternehmensbereiche vom Brexit betroffen sind: