Begleiterin für die letzten Stunden

Janine Berg möchte Polizistin werden. Zuvor macht sie ein Freiwilliges Soziales Jahr im Franziskus-Hospiz.

Foto: Dietrich Janicki

Erkrath. Nach dem Abitur studieren und dann in den Polizeidienst: Janine Berg hat klare Vorstellungen davon, wie die berufliche Zukunft aussehen soll. Gerade allerdings hat die 19-Jährige auf ihrem Weg einen Zwischenstopp eingelegt, der sie an einen Ort geführt hat, von dem sie schon jetzt sagt: „Ich werde das Jahr hier nie vergessen“.

Seit sieben Monaten fährt sie jeden Morgen ins Hochdahler Franziskus-Hospiz, um dort Schwerkranke und Sterbende in der letzten Phase ihres Lebens zu begleiten. Eine ungewöhnliche Entscheidung für einen jungen Menschen, der doch eigentlich so ganz andere Dinge in sich trägt als die Frage nach dem Lebensende.

Janine Berg, FSJ

Bei Janine Berg scheint das jedoch anders gewesen zu sein. „Ich habe schon vorher daran gedacht, wie es wohl ist, wenn man stirbt. Und wie es sein wird, wenn meine Eltern irgendwann sterben“, gesteht sie. Es seien Ängste gewesen, die sie damals umgetrieben haben. Fragt man sie heute — nach sieben Monaten im Hospiz — danach, was aus ihrer Angst geworden ist, so sagt sie: „Ich gehe damit anders um. Der Tod gehört zum Leben.“

Eine erstaunliche Entwicklung in ziemlich kurzer Zeit, die wohl auch der Tatsache geschuldet ist, dass man im Umfeld Sterbender intensive Erfahrungen machen kann. Für Janine Berg begannen die im vergangenen Sommer, am ersten Tag ihres Hospizdienstes. „Ein Bewohner saß im Garten. Dann hat er plötzlich gesagt, dass er erst hier begonnen hat zu leben.“, erinnert sie sich an diese Begegnung. Es sollten noch andere folgen, die nicht weniger Eindruck hinterlassen haben.

Neben allem anderen, was zu tun ist, sitzt die 19-Jährige auch bei den sterbender Menschen, um sich mit ihnen zu unterhalten. Sie tut das nur, wenn sie das Gefühl hat, dass die Bewohner das Gespräch mit ihr suchen. Sich in Situationen einfühlen, den Menschen wahrnehmen, sich ihm zuwenden: All das sind Erfahrungen, die man im Hospiz auf eine ganz besondere Art machen kann. „Ich bin dadurch selbstbewusster geworden und gehe leichter auf Menschen zu“, zählt die Abiturientin die Dinge auf, die sie schon jetzt für sich mitnehmen konnte.

Dazu gehört auch, erstmals am Bett eines Verstorbenen gestanden zu haben. Mittlerweile gab es schon viele dieser Abschiede und dennoch bleibt am Ende nicht das Gefühl, immer nur vom Tod umgeben zu sein. „Es ist nicht so, dass ich hier ständig daran denke. Ich versuche einfach, den Bewohnern noch eine gute Zeit zu schenken.“

Die Vorstellung, dass man im Hospiz nur auf Menschen trifft, die in schwerem Leiden ans Bett gefesselt seien, habe sie anfangs auch gehabt. Stattdessen seien ihr Hospizgäste begegnet, die unbedingt noch einen Spaziergang machen wollten. Sie hat sie begleitet. Andere wiederum fanden Gefallen an Diskussionen — mit denen hat sie eben diskutiert. Natürlich gibt es auch Tränen, zuweilen auch von Angehörigen. Manchmal sind es auch junge Menschen, die plötzlich aus dem Leben gerissen werden. „Ich genieße seither jeden Tag“, beschreibt Janine Berg, wie sich ihr eigenes Leben durch die Erfahrungen der vergangenen Monate verändert hat. Mit ihren Freunden kann sie nur selten darüber sprechen. Manche können nicht verstehen, warum sie sich gerade für den Dienst im Hospiz entschieden hat. In ein paar Monaten wird dort auch für Janine Berg der letzte Arbeitstag gekommen sein. Dann geht es weiter, wie geplant: Studium in Duisburg und danach in den Polizeidienst.