Gesamtschüler müssen ausweichen
Das Interesse der Eltern an der Einrichtung einer Gesamtschule ist groß. Doch dafür müssten andere Schulen schließen.
Erkrath. Tilman Bieber kennt sich mit Schulen aus. Seit mehr als 30 Jahren ist der Diplom-Volkswirt mit Schulentwicklungsplänen beschäftigt. Die Städte beauftragen den Gutachter, ein Konzept zu erstellen, das Auskunft gibt über wichtige Fragen: Wie viele Schüler gibt es in zehn Jahren? Welche Schulen brauchen wir noch? Welche überleben, welche müssen wir schließen?
Derzeit wühlt sich Bieber durch Erkrath. Fast alle Schulen hat er schon besichtigt, mit Lehrern gesprochen und natürlich Hunderte Seiten Unterlagen gesichtet. Sein Job: Er soll den Schulentwicklungsplan für Erkrath weiter entwickeln. Im Schulausschuss stellte sich Bieber vor. Doch schon jetzt ist klar: Die Antwort auf die große Frage, ob Erkrath eine Gesamtschule braucht, wird nicht dabei sein. Zwar wird es in den kommenden Wochen noch ein paar Termine geben, in denen Vertreter von Schulen und Verwaltung zusammenkommen — doch das, was Tilman Bieber erarbeitet, wird nicht der berühmte Stein der Weisen werden. Mehr als Handlungsempfehlungen und Vorschläge kann der Gutachter auch nicht vorlegen. Es gelte stattdessen, einen Konsens zu finden, mit dem alle leben können.
Auch wenn er offen zugibt, dass in den meisten Grundschulen, mit denen er gesprochen hat, ein großer Wunsch nach einer Gesamtschule herauszuhören war. „Das war schon außergewöhnlich, dass so viele Eltern den Wunsch äußerten, ihre Kinder auf eine Gesamtschule schicken zu wollen“, so Bieber. Dabei weiß er selbst genau, dass eine Gesamtschule in Erkrath nur möglich wäre, wenn andere Schulen ihre Tore schließen. Es geht um zwei Szenarien: Eine Gesamtschule in Hochdahl ginge auf Kosten der Realschule und der Hauptschule.
Die Hauptschule erfreut sich aber zurzeit größter Beliebtheit und unterrichtet 418 Schüler in 19 Klassen. Es ist eine von nur noch zwei Hauptschulen im gesamten Kreis Mettmann und sie ist daher sehr gefragt. Eine Gesamtschule in Alt-Erkrath ginge auf Kosten der Realschule. Darüber hinaus würden weniger Schüler die Oberstufe des Gymnasiums am Neandertal besuchen.
SPD und Grüne in Erkrath hatten sich mehrfach dafür ausgesprochen, die Eltern nach ihren Wünschen für künftige Schulformen zu befragen. Dabei soll es nicht nur um eine Gesamt-, sondern auch um eine Sekundarschule gehen. CDU und BmU dagegen wollten erst einmal den Schulentwicklungsplan fortschreiben. Doch wenn schon jetzt abzusehen ist, dass auch die Fortschreibung keine wesentlich neuen Erkenntnisse bringt — was bleibt dann noch übrig? Die Stadtschulpflegschaft hatte auf eigene Faust eine Umfrage an den Grundschulen gemacht. Demnach haben 45 Prozent der Eltern für eine Gesamtschule gestimmt.
Den betroffenen Eltern bleibt, ihre Kinder in Hilden anzumelden. Oder in der Nachbarstadt Haan, wo sich die Stadt gerade erst für eine die Einrichtung einer Gesamtschule ausgesprochen hat.