Hier wird Kunst zum Krimi-Thema
Für seine Geschichte um Kunstraub tauchte Manfred Nietsch tief in die rheinische Geschichte der Vorkriegszeit ein.
Erkrath. Ist Düssel-Historie interessant! Aus der Geschichte rund um das kleine Dorfflüsschen hat Manfred Nietsch ein dunkles Kapitel — den NS-Kunstraub rund um die Kunstakademie — in seinem zweiten Roman „Kunsterben“ aufgegriffen. „Das Thema lag in der Luft“, sagt der malende Autor.
In den 70er Jahren kam der in Leipzig Geborene in die hiesige Landeshauptstadt, um unter Joseph Beuys zu studieren: „Beim Schreiben konnte ich von der Arbeit eines damaligen, linken Studentenzirkels profitierten, der sich Basisgruppe nannte. Damals forschten wir ohne Anleitung der Dozenten, welche verfolgten Künstler es zur NS-Zeit in Düsseldorf gegeben hatte.“
Kernidee seines neuen Werkes sei es gewesen, eine vielschichtige Begebenheit um ein einziges Porträt herum zu entwickeln. Wenn Nietsch sonst malt, dann gerade vornehmlich Landschaftsmotive in Acryl, die aus Inspirationen seiner regelmäßigen Streifgänge entlang des „Weges der Befreiung“ zwischen den Gerresheimer Höhen und den Mettmanner Siepen entstammen.
Für das Bild zum Buch sprang er jedoch zurück in den Stil des expressionistischen Realismus der 1930er Jahre. Die von Nietsch am Computer entworfene Illustration ziert den Buchumschlag und ist mit Zitaten und Anspielungen zur Malgeschichte gefüllt. Angedichtet wird diese Darstellung des Mäzens Gustav Maibaum dem fiktiven Maler David Katz, der stellvertretend für die Gruppe der verbotenen Akademiekünstler steht. Trotz solcher freien Erfindungen lesen sich die 270 Romanseiten passagenweise wie eine Vor-Ort-Reportage über die abgründigen rheinischen Vorkriegstage. Nietsch hat dafür in der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf für die Opfer nationalsozialistischer Gewaltherrschaft sowie im Archiv zur Forschungsstelle „Entartete Kunst“ der Gerda-Henkel-Stiftung viele Quellen zum Lebensweg verfolgter Künstler und den damaligen Alltagsumständen aufgetan.
„Das hätte ich vorher selbst nicht gedacht, wie schlampig und korrupt bis in die Knochen die Naziführer waren und gehandelt haben“, sagt er. Gleichzeitig hat ihn überrascht, wie wenig jüdische Bürger noch kurz vor Kriegsbeginn voraussehen konnten, was später noch geschehen würde. Oftmals gebe es die Vorstellung, dass die freie Kunst zwischen 1933 und 1945 vollständig erlegen sei. Dem möchte Nietsch entgegenwirken: „Alle Leute dieser vergessenen Generation haben im Verborgenen weiter gearbeitet, auch wenn sie keine Chance auf Anerkennung hatten.“
Der Maler Julo Levin ist einer von jenen, die trotz allem noch Bedeutendes schufen und letztlich doch am Terror starben. Seitdem Nietsch im Frühjahr 2015 mit dem Romangerüst begann und besonders nach dem Tod von Cornelius Gurlitt und dessen Erblast der Schwabinger Sammlung hat sich eine wahre Welle der Kunstraub-Forschung aufgetürmt. Auch in den bergischen Museen arbeiten dazu nun Provenienzexperten. Doch wie die unlängst vom Düsseldorfer Stadtmuseum abgesagte Ausstellung über den Grafiker und Galeristen Max Stern gezeigt hat, bedarf es dringend weiter Aufklärung. Dabei erleichtert Nietsch seinen Lesern den Einstieg in jene Düsterzeiten, indem die Handlung immer wieder ins Zeitgenössische springt.
„Letztlich soll ein Krimiroman Unterhaltungsliteratur bleiben“, erklärt der studierte Germanist, der in der Region Île-de-France aufwuchs. Bereits im Debüt galt es, mit dem Tempo der franco-allemannischen Liaison zwischen dem unverzagten Derendorfer Lebenskünstler Charly und seiner Freundin Juliette aus Paris Schritt zu halten. Diese Helden ziehen den Leser erneut mit ihren Temperamenten in den Bann und ihre Liebesfluchten reichen diesmal bis an die salzigen Klippen der Bretagne.