Inklusion — tägliche Herausforderung
Ein Drittel der Erstklässler der Grundschule Willbeck braucht die erhöhte Aufmerksamkeit der Lehrer.
In der Klasse 1a der inklusiven Grundschule Willbeck steckt Leben drin. 26 Mädchen und Jungen haben Deutsch bei Klassenlehrerin Ana Pollheim und Sonderpädagogin Stefanie Grethe. Da bedarf es schon einiger Tricks, die Sechsjährigen 45 Minuten lang bei der Stange zu halten. Klangschalen, Glocken, lerngymnastische Übungen, Entspannungsspiele und Unterrichtspassagen im Flüsterton halten die Kinder davon ab, abzuschalten.
An diesem Morgen lernen die Mädchen und Jungen, dass das „V“ einmal hart und einmal weich ausgesprochen wird. „Sitz’ gerade! Sei leise! Schau’ nach vorn!“ — Stefanie Grete und Ana Pollheim haben alle Kinder jederzeit im Blick und fordern sie immer wieder auf, dem Unterricht zu folgen.
„Es sind nicht die auffälligen Inklusionskinder im Rolli oder die, die schlecht hören oder sehen, die problematisch sind. Es sind die, deren Defizite erst während des ersten Schuljahrs offensichtlich werden“, sagt Schulleiterin Barbara Arts. „Es sind die Kinder, die Schwächen beim Sprechen und Lernen haben, im sozialen oder emotionalen Bereich Defizite aufweisen, die motorisch unruhig sind, ständig Zuspruch oder individuelle Hilfe brauchen.“ Und das ist in den ersten Klassen ungefähr ein Drittel der Schüler.
Sechs Stunden steht die Sonderpädagogin Stefanie Grethe Ana Pollheim pro Woche in ihrer ersten Klasse zur Seite. „Eigentlich müssten es zehn Stunden sein“, sind sich die Lehrerin und die Sonderpädagogin einig.
Die Kinder bekommen je nach Begabung und Lernfähigkeit unterschiedliche Aufgaben gestellt — dem normalen Pensum angepasst oder einfacher. Sehr viele der Kleinen sitzen an diesem Morgen ratlos vor der Aufgabe, eigenständig Worte, die mit einem „V“ beginnen, nach ihrem Klang unter „Vase“ oder „Vogel“ zu ordnen. Zwei Drittel brauchen die individuelle Anleitung der Lehrerin. „Um ein richtiges Schulkind zu werden, das sich selbstständig durch Matheaufgaben und Lesebücher kämpft, müssen die meisten Erstklässler erst einmal ganz viel lernen“, sagt Arts. Dafür verantwortlich sind ihre Lehrer.
Im vierten Schuljahr haben sich die meisten Inklusionskinder angepasst. Viele haben sogar komplett aufgeholt.
Sie können still sein, sich konzentrieren, Antworten auf Fragen der Lehrer geben. Klassenlehrerin Birgit Gülke spricht in der 4a mit ihnen über Gewichtseinheiten, sehr anschaulich, mit sehr viel Gelassenheit und Humor. Das kommt gut an bei den Schülern.
In den ersten drei Schuljahren arbeiten Lehrer und Pädagogen präventiv, sagt Arts, um zu verhindern, dass Schüler zurückbleiben oder einfach durch die Schulzeit geschleust werden, ohne etwas zu lernen, wie es früher oft der Fall war. Nach drei Jahren wird das erste offizielle Gutachten erstellt, mit dem die Weichen für das Lernen in den weiteren beiden Jahren gestellt werden, entweder in der Grundschule oder — wenn die Eltern es so wollen — für den möglichen Wechsel auf eine Förderschule.