Risikofaktoren müssen vor der Entlassung angesprochen werden

„Teufelsaustreiber“ kommt in die Psychiatrie. Pedro Faustmann über den Umgang mit psychisch kranken Straftätern.

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Erkrath. Ein 25-jähriger Mann, hatte im vergangenen Sommer in einer Wohnung in Erkrath-Unterfeldhaus seine Mutter lebensgefährlich verletzt, weil er glaubte, ihr den Teufel austreiben zu müssen. Das Gericht hat jetzt die dauerhafte Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.

Herr Prof. Dr. Faustmann, wie nahe kann man einem Menschen in Gesprächen wirklich kommen, um seine Schuldfähigkeit zu beurteilen?

Prof.Dr. Pedro Faustmann: Es besteht kein Arzt-Patient-Verhältnis des Vertrauens, und das muss zu Beginn einer Begutachtung angesprochen werden. Es liegt ein Gutachtenauftrag vor, jede Äußerung ist freiwillig und die ärztliche Schweigepflicht ist eingeschränkt. Der Sachverständige ist der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht gegenüber zur Auskunft verpflichtet. Allein das ausführliche und offene Gespräch über diese wichtigen Aspekte führt jedoch meist zu einer tragfähigen Beziehung und zu einer gewissen Nähe.

Und was ist das Ziel Ihrer Begutachtung?

Faustmann: Die forensisch psychiatrische Beurteilung von Menschen mit psychotischen Erkrankungen orientiert sich an der Gefährlichkeitsprognose. Es gibt sehr viele Menschen, die unter Psychosen leiden, ohne dass eine konkrete Gefahr von Ihnen ausgeht. Geprüft werden muss auch, ob und inwiefern Drogenkonsum, die Nichteinnahme von Medikamenten und psychische Belastungen zu einer Handlungsdynamik mit Gefahr geführt haben.

Gibt es dennoch Perspektiven für das Leben eines Menschen, dessen psychotische Erkrankung bei konsequenter Medikamenteneinnahme möglicherweise heilbar sein könnte?

Faustmann: Eine endogene Psychose aus dem schizophrenen Firmenkreis ist in der Regel lebensbegleitend. Durch eine medikamentöse Behandlung können die Symptome jedoch oftmals gut beherrscht werden.

Die Einweisung in die Forensik erfolgt üblicherweise unbefristet. Alle drei Jahre hat dann ein Gutachter über eine mögliche Entlassung zu entscheiden. Eine große hohe Verantwortung, die nicht selten dazu führt, dass zuungunsten des zum Tatzeitpunkt schuldunfähigen Täters entschieden wird.

Faustmann: Neben der gutachterlichen Untersuchung alle drei Jahre nach Maßregelvollzugsgesetz, werden von der Klinik alle sechs Monate Stellungnahmen zum Verlauf erstellt. Der Untergebrachte selbst kann eine Überprüfung der Voraussetzungen der Unterbringung beantragen. Grundsätzlich ist eine Unterbringung in einer forensisch psychiatrischen Klinik nicht als „zuungunsten“ zu werten. Oftmals erhalten die Betroffenen erstmals die Möglichkeit, dass ihre schwere psychische Erkrankung konsequent behandelt wird.

Kann es denn überhaupt eine Garantie dafür geben, dass nach der Entlassung alles gut geht?

Faustmann: Eine Garantie gibt es nicht. Aber es gibt Risikofaktoren, die vor einer zu empfehlenden Entlassung offen angesprochen werden müssen. Ungünstig wären beispielsweise weiterhin bestehende psychotische Symptome mit Beeinträchtigungserleben und Angst. Positiv wären bei psychischer Stabilität im Alltag soziale Kontakte und Kompetenzen, Hobbys und Aktivitäten.

Bei einem psychisch kranken Straftäter geht es auch um den sozialen Empfangsraum, den es nach einer Entlassung geben sollte. Wie könnte der aussehen?

Faustmann: Ein sozialer Empfangsraum beinhaltet stabile psychosoziale Kontakte, eine Tagesstruktur und Arbeit. Und auch die Anbindung an ambulante ärztliche, psychologische und soziale Behandlungen und Beratungen mit Kontrollfunktion.