Sie leben seit 25 Jahren ohne Auto
1992 trennten sich Rüdiger und Siegrun Jungbluth von ihrem Auto. Bis heute fahren sie Fahrrad.
Erkrath. Während die Autofahrer noch auf der Suche nach Parkplätzen ums Einkaufszentrum kreiseln, haben Rüdiger (75) und Siegrun (73) Jungbluth schon fast wieder ihre Einkaufstaschen voll. Mehr als zehn Kilo pro Tasche dürfen es nicht sein, der Kartoffelsack passt aber noch auf den Gepäckträger. Ihren Wein lassen sie sich sowieso direkt vom Winzer liefern und das Wasser wird aus dem Hahn gefiltert. „Wenn man das so lange macht wie wir, dann weiß man, wann man aufhören muss mit dem Einpacken. Wir fahren ohnehin öfter einkaufen, wir haben ja Zeit“, sagen die beiden Unterfeldhauser, die 1992 ihr letztes Autos verschenkt haben — aus völlig freien Stücken und als Ergebnis eines längeren Prozesses.
Geradelt sind die beiden schon immer, zunächst aber, wie die meisten anderen Radler auch, nur in der Freizeit. „Dann hat meine Frau, die schon immer eine begeisterte Radfahrerin war, irgendwann gesagt: Wenn mein Auto es mal nicht mehr tut, brauche ich eigentlich nur noch ein gutes Fahrrad“, erzählt Rüdiger Jungbluth aus der Zeit, als das Paar sogar noch zwei Autos hatte. Da waren allerdings auch noch zwei Kinder zu versorgen.
Als Statussymbol haben die beiden ihre Pkw allerdings nie gesehen. Naja, vielleicht ein bisschen. Immerhin erinnert sich Rüdiger Jungbluth, der lange Zeit im Düsseldorfer Verkehrsministerium gearbeitet hat, noch gut an seinen 116-Pferdestärken-starken Opel Commodore, zu dem er sich, wie er sagt, „hochgearbeitet“ hatte. Er hatte es allerdings in seinem Beruf schwerpunktmäßig mit der Unfallforschung zu tun, setzte sich zum Beispiel für kleine, entschleunigende Kreisverkehre ein, die das Nebeneinander von Auto-und Radfahrern entschärfen — und wuchs damit zusehends in die Radfahrerperspektive hinein, ließ das Auto immer öfter stehen. „Ich bin genug Auto gefahren“, habe er mit gerade einmal 50 Jahren gesagt, als er sein Auto schließlich verschenkte. Ein Bild, das ihn während seines Berufslebens auf einem Fahrrad in Düsseldorf zeigt, hängt heute im Flur der Unterfeldhauser Etagenwohnung.
Gleich gegenüber stehen zwei Päckchen, die wie Bausätze für Räder aussehen. „Ich zeige Ihnen mal, wie das geht“, sagt Rüdiger Jungbluth, und verwandelt das Metallknäuel mit wenigen Handgriffen in ein straßentaugliches Fahrrad. „Die sind ideal für uns, kompakt und mit 13 Kilo nicht zu schwer“ schwärmt das Paar von seinen beiden Falträdern eines britischen Herstellers, die im Zug ohne Extraticket als Gepäckstück mitgehen. Denn die beiden betonen, „keine Hardcore-Radler“ zu sein, kombinieren die Möglichkeiten, um mit Bus oder Bahn auch mal ein größeres Stück voranzukommen oder sich, wenn sie unterwegs von Gewitter überrascht werden, ein Taxi bestellen. Der größte Gewinn aus der Abkehr vom Auto? „Mehr Lebensqualität“, sagen die beiden, die auch mal stramm bergauf nach Gruiten fahren, weil es, apropos Lebensqualität, dort noch einen richtigen Bioladen gebe.