Betrüger aus Hilden nehmen Senioren mit Terror-Anrufen viel Geld ab

Ihre Akte ist 60 000 Seiten dick: Ermittler aus Nordrhein-Westfalen haben eine mutmaßliche Betrügerbande geschnappt, die bundesweit zehntausende Menschen abgezockt haben soll.

Hilden. Mit vermeintlichen Gewinnspielen, Schutz vor unseriösen Anrufen und ungerechtfertigten Nachnahme-Sendungen hat eine Hildener Betrügerbande über Callcenter bundesweit mehr als 30 000 Menschen abgezockt. Die Staatsanwaltschaft geht von zwei Millionen Euro Schaden aus, tatsächlich dürfte die Summe noch viel höher sein. Die Opfer sind vor allem ältere Bürger.

In monatelanger Puzzlearbeit hat die Kreispolizei gegen die bundesweit und international agierenden Betrüger ermittelt. Im Sommer wurden der 35-jährige Kopf der Gruppe sowie vier weitere Drahtzieher festgenommen. Sie sitzen seitdem in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft hat jetzt Anklage erhoben.

Der Stein kam 2012 ins Rollen, als sich bei der Kreispolizei die Betrugsanzeigen häuften. In der Folge deckte die Kripo ein Geflecht von verschiedenen und wechselnden Firmen mit unterschiedlichen Adressen in Hilden sowie Callcentern in der Türkei auf, über die zigtausende, vorwiegend ältere Menschen telefonisch terrorisiert und betrogen wurden. „In Briefen haben die alten Leute gebettelt, dass man sie endlich in Ruhe lassen soll, oder gefragt, warum man ihnen das antut“, sagte am Donnerstag Kripokommissar Carl Rehmann, der den Riesenbetrug maßgeblich aufdeckte.

Die Masche war perfide: Die Opfer wurden angerufen und zu einem Eintrag in einen Gewinnspieldienst wie etwa „Lichtenheimer“ oder „Gewinnerzentrale 49“ überredet. Danach wurde monatlich per Nachnahme abkassiert: 69, 79 oder 89 Euro für „reine Luftnummern“.

Später wurden die Opfer zunächst mit Anrufen überhäuft — bis zu 15 pro Tag. Dann boten die Täter für teures Geld (89 bis 179 Euro) wertlose Anrufblocker oder Sperrboxen an, die nicht funktionierten. In einem Fall konnten sie dem Opfer sogar einen zweiten Blocker verkaufen.

Dazu kamen Schreiben, für die teure Nachnahme bezahlt werden sollte, auch wenn Sendungen gar nicht angenommen wurden. Rehmann: „Wer nicht bezahlte, dem wurde mit Inkasso, Schuldnerliste oder Polizei gedroht. Das hat die älteren Leute natürlich eingeschüchtert.“ Manchmal gaben sich die Betrüger sogar selbst als Staatsanwaltschaft aus, um Geld einzutreiben. Insgesamt waren 1272 Strafanzeigen gestellt worden. Bei Durchsuchungen beschlagnahmte die Polizei acht Terabyte Daten — darunter 650 000 Personendaten, sortiert nach Geburtsjahr (1936 bis 1939) und Konto.

Die Anklage wirft den Haupttätern nun „gewerbsmäßigen Betrug“ in 18 564 Fällen vor. Dies ist die Zahl der Fälle, die die Staatsanwaltschaft glaubt beweisen zu können. Schadenssumme: zwei Millionen Euro. Bei den Betrügern konnten nur 80 000 Euro sichergestellt werden. Rehmann: Den Rest haben sie auf den Kopf gehauen.“