Die Frau, die aus allen Wolken fiel
Heute vor 59 Jahren starb in Hilden die Fallschirmspringerin Luise Schleifer. In den letzten Jahren des Kaiserreichs war sie ein Star.
Hilden. Wenn sich Luise Schleifer um die vorletzte Jahrhundertwende in einer Stadt ankündigte, war eines klar: Es herrschte Ausnahmezustand. Denn egal, wo sich die junge Berlinerin mit ihrem Fallschirm todesmutig in die Tiefe stürzte, war der fortschrittsverrückte Teil der Gesellschaft des Kaiserreiches außer Rand und Band.
Mehrere zehntausend Zuschauer kamen regelmäßig zu den Auftritten von „Miss Polly“, wie sich Schleifer als Artistin nannte. Heute vor 59 Jahren starb die Berühmtheit im Alter von 82 Jahren im Hildener St. Joseph-Krankenhaus.
Sie hatte aber auch andere Bezüge zu Hilden. Bereits 1903, damals hieß Schleifer noch Giese, war sie in Hilden gelandet. Und auch der letzte öffentliche Auftritt der ersten fallschirmspringenden Frau Deutschlands — und vermutlich der ganzen Welt — ging in Hilden über die Bühne.
Am 5. August 1951, „Miss Polly“ war „zarte“ 81 Jahre alt, wollte sie es noch einmal wissen und bestieg vor mehreren tausend begeisterten Fans den Ballon. Zum letzten Sprung kam es aber nicht mehr. Gefeiert wurde sie dennoch für ihre dreistündige Ballonfahrt nach Unna.
Schon als Jugendliche hatte sich die gebürtige Pommerin für die Luftfahrt interessiert. Als die damals 17-Jährige im Jahr 1887 nach Berlin kam und begann, in einem Möbelhaus zu arbeiten, nahm sie ihr Chef eher zufällig mit auf eine Ballonfahrt. Der Startschuss für ihre Karriere.
Keine fünf Jahre später war „Miss Polly“ ein Star, der in seinem Matrosenanzug von Stadt zu Stadt zog und die Massen mit seinen Sprüngen begeisterte. Besonders im Rheinland, wo sie ab 1902 lebte, aber auch in vielen weiteren Städten in ganz Europa wurde sie frenetisch gefeiert. Ihr Markenzeichen war der Aufstieg an einer Strickleiter, die unter dem Ballonkorb hing. Erst dann ging es mit dem Ballon in die Lüfte.
Doch dann durchkreuzte der Erste Weltkrieg ihre weiteren Pläne. 1914, Schleifer war 44 Jahre alt, wurden ihre Sprünge verboten. Trotzdem blieb sie dem Rheinland, ihrer großen Bühne, treu und kaufte 1932 mit ihrem Mann Heinrich ein Haus in Düsseldorf, wo sie bis Ende des Zweiten Weltkriegs blieb.
Erst als ihr Haus in den Kriegsjahren ausgebombt wurde, zog sie 1946 nach Hilden, wo sie ihren Lebensabend verbrachte. Am 15. Dezember 1951 trat sie ihre letzte Reise an.