Die Politik prüft den papierlosen Stadtrat
Auf Antrag der Hildener CDU wurde ein Beschluss noch nicht gefasst und verschoben.
Hilden. Der Stadtrat ist das Lokalparlament der Bürger. Er besteht aus 44 Mitgliedern, hinzu kommen 100 sachkundige Bürger, zusammen also 144 Gremienmitglieder. Exakt 489 000 Seiten hat die Stadtverwaltung im vergangenen Jahr gedruckt, um alle Politiker mit Beratungsunterlagen zu versorgen. Mit Versand kostet das gut 97 000 Euro im Jahr. Die FDP hat beantragt, auf Papier zu verzichten und auf Tablet-Computer umzusteigen — um langfristig Geld zu sparen. Auf Antrag der CDU hat der Rat jetzt eine Entscheidung auf Dezember vertragt.
Viele Fragen sind noch offen, zeigte die Diskussion. SPD und FDP wollen, dass die Ratsmitglieder eigene Tablets nutzen (Variante zwei: Kosten 21 750 Euro einmalig plus 3451 Euro jährlich). Bürgeraktion, Allianz und Grüne fordern, dass die Verwaltung die Computer bereitstellt (Variante eins: Kosten 74 450 Euro einmalig plus 9200 Euro jährlich). Ein Mix aus beiden Varianten würde 50 450 Euro einmalig plus 3451 Euro jährlich kosten (Variante drei). Bürgermeisterin Birgit Alkenings spricht sich für Variante zwei aus — weil die den Haushalt am wenigsten belaste.
Falls kein Tablet vorhanden ist, könnten die Gremienmitglieder ihre Aufwandsentschädigung von 290 Euro im Monat dafür einsetzen, schlägt der Kreis als Aufsichtsbehörde vor. Das lehnen Ludger Reffgen (BA) und Klaus-Dieter Bartel (Grüne) ab: Papier/Handwerkszeug sei ja auch bislang von der Verwaltung gestellt worden. Die Stadt Monheim verleiht Tablets an Ratsmitglieder und Sachkundige Bürger. Yannik Hoppe (FDP) brachte einen „einmaligen Zuschuss“ für die Anschaffung der Tablets ins Gespräch. Die Grünen möchten zudem eine Übergangsfrist von sechs Monaten, in der parallel digital und mit gedruckten Unterlagen gearbeitet wird. Das wiederum lehnt die SPD ab. Wenn die Stadt die Tablets anschafft, muss sie die Computer auch warten, erläutert die Bürgermeisterin: „Damit entsteht langfristig ein höherer Aufwand.“ Alkenings hat sich bei der Kommunalaufsicht (Kreis) nach der Rechtslage erkundigt: „Die Sitzungsunterlagen müssen nicht auf Papier zugestellt werden.“ Es reiche, wenn sie im Rats-/Bürgerinformationssystem digital zur Verfügung stehen. Über das Portal könne sie ja jeder ausdrucken — privat. Auf die Papiereinladung zu den Sitzungen könne die Verwaltung nur verzichten, wenn jedes Gremienmitglied das persönlich unterschreibe. Die Stadt Leverkusen hat vor drei Jahren iPads nur für die Ratsmitglieder angeschafft, berichtet Michael Molitor, stellvertretender Leiter des Fachbereichs Oberbürgermeister/Rat/Bezirke: „Etwa 80 Prozent haben ein iPad genommen, der Rest arbeitet noch mit Papier. Wir haben noch keinen papierlosen Stadtrat, wir sind auf dem Weg dahin.“
Die Geräte mit Apple-Betriebssystem wurden über eine städtische Tochterfirma geleast. Dort übernehme ein Mitarbeiter auch Wartung und Support. Er werde jedoch nur selten gebraucht. Für die Sachkundigen Bürger seien keine iPads angeschafft worden: „Das ist von den Kosten her nicht gerechtfertigt. Sie können ihre Unterlagen ausdrucken.“ Die Ratsmitglieder mit iPad seien ganz zufrieden, ist der Eindruck von Molitor: „Die digitale Gremienarbeit funktioniert. Das ist aber auch eine Generationenfrage.“ Jüngere täten sich damit leichter als altere Menschen.
Die Stadt Monheim hat bereits vor gut zwei Jahren auf den papierlosen Stadtrat umgestellt. Alle Ratsmitglieder und sachkundigen Bürger haben von der Stadt Tablets (auf Wunsch) bekommen, berichtet Martin Frömmer, Leiter Zentrale Dienste. Gedruckte Sitzungsunterlagen gebe es nicht mehr. Nach einer Eingewöhnungsphase funktioniere die digitale Gremienarbeit gut. „Es geht nicht um die Kosten, sonder die Vereinfachung der Prozesse“, betont Frömmer: „Wenn früher der Haushaltsplan gedruckt wurde, war unsere Hausdruckerei eine Woche nur damit beschäftigt. Jetzt steht er online zur Verfügung — per Knopfdruck.“
Der Landschaftsverband Rheinland hat seinen 192 Mitgliedern 2015 iPads angeboten. 170 (88,4 Prozent) arbeiten jetzt ausschließlich digital, berichtet Pressereferent Till Döring: „Davon nutzen 25 eigene Geräte.“ Die Investition für die digitale Gremienarbeit (263 000 Euro) hat sich im kommenden Jahr amortisiert. Die Stadt Hilden wendet in diesem Jahr laut Haushaltsplan knapp 723 000 Euro für den Stadtrat, die Ausschüsse und Fraktionen auf. Vor zwei Jahren waren es noch 620 000 Euro.