Drei Nationen an einem Tisch
Niederländer, Belgier und Deutsche treffen sich regelmäßig dienstags in Hilden, um im Sinne der Völkerverständigung zu „kletsen“.
Hilden. Autofahrer kennen die „Drempel“ auf niederländischen Straßen, Liebhaber von Speisen aus unserem Nachbarland Frikandel und Bolletjes (Brötchen). Viel mehr niederländische Vokabeln sind den meisten Deutschen wohl nicht bekannt.
In Hilden hingegen gibt es wohl überdurchschnittlich viele Menschen, die mit der Sprache vertraut sind. „Seit den 1950er-Jahren gab an der Wilhelm-Fabry-Schule das Angebot, Niederländisch zu lernen“, sagt Andreas Gießmann. 1975, als er 14 Jahre alt war, stieg auch er in den Unterricht ein.
„Ich konnte damals Englisch und Französisch, wollte auch Niederländisch lernen. Lehrer Kauls hatte den Wunsch, alle Völker zu verbinden“, erinnert sich Gießmann.
Auch Günter Scheib, langjähriger Bürgermeister in Hilden, hat damals das Niederländische erlernt — und dann hat beide die Sprache nicht mehr losgelassen. Gießmann belegte Kurse an der Volkshochschule Hilden/Haan, machte das Euregio-Zertifikat und bot dann selbst einen Stammtisch für Niederländer, Belgier und Deutsche an. Dieser besteht jetzt bereits fünf Jahre.
15 Teilnehmer sind es meistens, wenn sich der Stammtisch am zweiten Dienstag im Monat im Forstbacher Hof trifft. Es wird viel erzählt, „kletsen“ nennt man das im Niederländischen. Was ist in den vergangenen vier Wochen passiert, mit den Kindern, im Beruf? Die letzte Tour nach Hasselt wird noch einmal besprochen. Allen hat es gefallen, alle freuen sich schon auf den nächsten Jahresausflug. Dann ist wieder Gelegenheit, Niederländisch zu sprechen.
„Kauls war ein guter Lehrer“, erinnert sich Gießmann. „Er hat uns nicht oft korrigiert. Wenn wir ein Wort nicht wussten, sollten wir es umschreiben“, sagt er. Das habe geholfen, den Wortschatz zu erweitern.
Damals gab es einen Schüleraustausch mit Zutphen in Gelderland. Gießmann hat seither eine Brieffreundschaft. Mit Inge hat er noch heute Kontakt. Mit ihrer Mutter hatte Gießmann damals ein ausführliches Gespräch. Es ging um die Weltkriege. „Wir können nicht vergessen, aber wir können verzeihen“, hatte die alte Dame gesagt. Der Satz hat Gießmann sehr imponiert.
„Niederländisch ist keine einfache Sprache“, sagt Gießmann. Man müsse viel lernen. Doch man habe Erfolgserlebnisse. „Wenn man in den Niederlanden auch niederländisch spricht, sind die Menschen dort verwundert und erfreut. Und wenn er in Hilden einem Autofahrer mit gelbem Nummernschild den Weg auf Niederländisch erklären kann, sind die Gäste überrascht.
Die Völkerverständigung ist dem Stammtisch wichtig, doch auch der Spaß und die Unterhaltung gefällt den Teilnehmern. Ein Ehepaar, das bald den 70. Hochzeitstag feiern kann, gehört seit Anfang an dazu. „Die Frau kann gut zitieren und hat uns mit Gedichten immer viel Freude gemacht. Ein Paar hat sich bei uns am Stammtisch gefunden und ist jetzt nach Overpelt in Flandern gezogen“, sagt Gießmann.
Die Gäste stammen nicht nur aus den Niederlanden, sondern auch aus Belgien — schließlich ist es ein Flämisch-Niederländisch-Stammtisch. Unterschiede zwischen den Niederländern und den Belgiern gebe es. Doch feiern könnten beide Nationalitäten gleichermaßen gut. Und ihnen schmeckt auch das Essen, das jeden Stammtisch begleitet. Die Küche im Forstbacher Hof mögen alle drei Volksgruppen gleichermaßen.