NRW Psychiater: Angeklagter soll voll schuldfähig sein
Haan/Wuppertal · Im Strafprozess gegen einen Haaner, der im März seine Frau in der gemeinsamen Wohnung an der Deller Straße erschossen haben soll, sagte jetzt der psychiatrische Sachverständige aus.
Kann man mit 2,77 Promille Alkohol im Blut und einer Handvoll eingeworfener Beruhigungspillen noch klar im Kopf sein? Im Prozess gegen den Haaner, der im März seine Frau in der gemeinsamen Wohnung an der Deller Straße erschossen haben soll, hält der psychiatrische Sachverständige genau das für möglich. Er attestierte dem Angeklagten jetzt die volle Schuldfähigkeit.
Auf Nachfrage des Gerichts räumte er ein, dass es sich möglicherweise um eine Affekttat gehandelt haben könnte. Aus seiner Sicht spreche dennoch vieles dafür, dass die Steuerungsfähigkeit vorhanden gewesen sei. Der Verteidiger hatte da schon keine Fragen mehr, er wolle sich dazu im Plädoyer äußern, kündigte er an.
Auch als Prozessbeobachter blieb man am Ende des gutachterlichen Vortrages ratlos zurück. Wohlgemerkt: Der Mann war allenfalls Gelegenheitstrinker, als er am Mittag des 25. März damit begonnen haben soll, sich mit Whisky vorlaufen zu lassen. Schon morgens will er Beruhigungsmittel genommen und den Entschluss gefasst haben, sich mit einer Neun-Millimeter-Pistole zu erschießen. Stunden später soll er dann 13 Schüsse auf seine Frau abgegeben und sie achtmal getroffen haben. Auch wenn es makaber klingen mag: Der Angeklagte war Sportschütze und zwischendrin war auch vom Vorsitzenden Richter Jochen Kötter zu hören, dass man doch eigentlich davon ausgehen können sollte, dass eine Kugel genüge.
Getroffen hatte der 60-Jährige seine Frau im Rücken und an den Armen, sie starb noch am selben Abend im Krankenhaus. Den Polizisten gegenüber hatte sie ihren Mann noch als Täter identifizieren können. Der hat nun dem Gutachter aus dem Leben mit seiner Frau erzählt.
Sie war demnach seine große Liebe. Für sie hatte er seine erste Frau nach beinahe 30 Ehejahren verlassen. Die 47-Jährige sei temperamentvoll gewesen und habe viel vom Leben gewollt. Zu viel für den Angeklagten, der sich selbst als „Couch-Potato“ sieht. Für sie ist er Mitglied in einem Motorradclub geworden. Sieben Umzüge in sieben Jahren, ihm sei am Ende alles zu viel geworden. Schon Wochen vor der Tat habe seine Frau die Scheidung gewollt. Sie habe die Fernbedienung genommen, den Fernseher abgeschaltet und gesagt: „Wir müssen reden!“ Als er vor zwei Jahren nach einem Herzstillstand in der Klinik lag, soll seine Frau beklagt haben, jetzt „nur noch Gemüse zu pflegen“. Wochenlang habe man nach der Trennung noch in der gemeinsamen Wohnung nebeneinander her gelebt. „Es war ein Alptraum“, hatte der Angeklagte gesagt. Als seine Frau einen eigenen Scheidungsanwalt wollte, habe er ihr auch dafür Geld gegeben. „Wenn sie etwas entschieden hatte, dann war das so“, fasst er die „Szenen einer Ehe“ zusammen.