Eine Hildener Institution Ein Ire geht in Rente – und mit ihm schließt das Irish Pub

Hilden · Aus einem kurzen Besuch, um ein Auto zu kaufen, wurden 43 Jahre – bisher: Stephen Leech hat mit dem Irish Pub die Hildener Gastroszene geprägt. Nun geht er in den Ruhestand.

Der Grund für den Schritt in Richtung Rente: Seine Familie mit Tochter Sarah Jane (links), seiner Frau Zlata und Tochter Sophia. Stephen möchte sich künftig zudem mehr um den großen Garten kümmern.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Eigentlich will er nur einen Golf GTI kaufen und wieder zurück nach Irland fahren. Doch er muss mehr als ein halbes Jahr auf den Wagen warten – und dann bleibt er gleich ganz. 43 Jahre später sind Stephen Leech und das Irish Pub an der Gabelung aus Hilden nicht mehr wegzudenken. Doch der Ire hat die Kneipe jetzt geschlossen. „Ich habe das Rentenalter erreicht“, sagt er. Eine Institution verschwindet, und die Kneipenszene in Hilden wird schon wieder ärmer. Wenn sich kein Nachfolger findet.

18 000 Mark kostet der Golf 1981 in Deutschland, 6000 Pfund in Irland. Zu dieser Zeit gibt es für ein Pfund 4,80 Mark, erinnert sich Stephen Leech. Er arbeitet mit 22 bei seinem Großvater, einem Innenarchitekten in Dublin. Kurz nach Deutschland fliegen, Auto kaufen, wieder zurückfahren. Das ist eigentlich der Plan. Die Lieferzeit für den Volkswagen hat er jedoch nicht auf dem Schirm. Sein Opa rät ihm am Telefon, sich eine Wohnung sowie einen Job zu suchen und später wieder nach Irland zurückzukommen. Stephen fährt in die Altstadt, geht ins Irish Pub. Der Manager Brian Byrne bietet ihm an, in der englischsprachigen Kneipe zu arbeiten. „Ich habe bis dahin noch nicht in der Gastronomie gearbeitet“, erinnert er sich. Das sei nicht wichtig, so Brian Byrne – wichtig sei nur, dass er Ire sei und Englisch spreche.

Stephen Leech in seiner Kneipe Anfang der 90er-Jahre.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Stephen Leech liebt die Arbeit in der Altstadt, lernt Stars wie Mick Jagger und John McEnroe im Pub kennen, nebenan wohnt Florian Schneider von Kraftwerk – ein Stammgast. Der Ire mit dem Golf GTI beschließt zu bleiben. 1990 dann eröffnet Sutton, die Firma, bei der Stephen angestellt ist, das Irish Pub in der ehemaligen Blende an der Gabelung. Er soll den Geschäftsführer und die vier Mitarbeiter einarbeiten. Doch anders als in der Altstadt sprechen die Menschen in Hilden vor allem deutsch, die Mitarbeiter aber nur englisch. Nach zwei Wochen haben fast alle wieder gekündigt, Stephen übernimmt das Hildener Pub als Geschäftsführer.

2013 wechselte Leech mit
seinem Pub die Straßenseite

23 Jahre bleibt er im Reichshof. Während die 90er-Jahre eine wilde Zeit sind, wie er sagt, bangen er und seine Mitarbeiter später um die Zukunft. „Die katholische Kirche wollten den Reichshof abreißen, um dort neu zu bauen. Wir haben mindestens acht Mal die Kündigung erhalten“, erinnert er sich. Doch die sei sieben Mal wieder aufgehoben worden, das Pub ist dann wieder für ein halbes Jahr gerettet. Doch 2013 müssen Stephen und seine Mitarbeiter dann tatsächlich ausziehen. „Wir hatten Glück, dass zu diesem Zeitpunkt das damalige Brauhaus direkt gegenüber frei wurde“, erklärt der Gastronom. Er wechselt mit einem Großteil der Einrichtung die Straßenseite, Suttons zieht sich aus dem Geschäft zurück, und Stephen Leech betreibt das Irish Pub fortan als selbstständiger Gastronom weiter.

Doch damit ist jetzt Schluss, auch wenn im Innern noch alles aussieht, als ob das Pub abends wieder öffnen könnte. „Der Mietvertrag lief aus, und ich stand vor der Wahl, ob ich noch einmal fünf Jahre weitermache oder aufhöre.“ Er entscheidet sich fürs Aufhören – und zwar aus zwei Gründen: Sarah Jane, drei Jahre alt, und Sophia, anderthalb Jahre alt. Seine Lebensgefährtin Zlata Kovacic und er sind Eltern geworden, der Gastronom möchte mehr Zeit für seine Familie haben.

Auf die Frage, welche Zeit die schönste war, sagt er: „Früher war nicht alles besser, jede Zeit hat ihren ganz speziellen Reiz. Es gab immer schöne und weniger schöne Ereignisse.“ Eine weniger schöne Zeit war beispielsweise die Corona-Krise. „Im November 2019 standen Gäste vor der Tür, die sonst eigentlich erst Mitte Dezember vorbeikamen“, erinnert sich der Hildener Ire: Ingenieure eines Autokonzerns, der seine Belegschaft aus China abgezogen hatte. „Die wussten, dass da etwas kommt“, sagt Stephen Leech. Dass sich daraus die Pandemie mit alle ihren Auswirkungen, Schließungen und Lockdowns entwickeln wird, dürfte aber selbst ihnen nicht klar gewesen sein. Hätte er gewusst, wie sich das Geschäft nach der Corona-Krise entwickelt, er hätte schon damals den Schlussstrich gezogen, erzählt Stephen Leech. „Das Bargeschäft war damals nie wieder so wie vorher“, sagt er. Das zeige auch das Kneipensterben in Hilden. „Wie viele gibt es heute noch? Sechs? Sieben?“

Bild aus dem Irish Pub in den 90er-Jahren: Links Mitarbeiter Kai Jäcker, daneben Stephen Leech.

Foto: Stephen Leech

Die Entwicklungen in der Gastronomie brauchen ihn jetzt nicht mehr zu kümmern. Das Pub hat er vor einigen Tagen geschlossen. Jetzt ist er Rentner, auch wenn sich das am Anfang noch ein wenig wie Urlaub anfühlt – trotz des eher nassen rheinischen Sommers. „Ich freue mich sehr auf die Zeit mit meiner Familie“, sagt er. Außerdem möchte er sich um den großen Garten kümmern. Was aus dem Irish Pub wird, kann er nicht sagen. „Ich habe alles erst einmal so gelassen, wie es ist“, sagt er. Vielleicht finde sich ein Nachfolger, der Theke und Interieur übernehmen möchte. Dann könnte es weiterhin Guinness in Hilden geben.

(tobi)