„Wir können nicht feiern, wenn unsere Nachbarstadt trauert“ Nach Solinger Anschlag – Hilden und Haan sagen Feste ab
Hilden/Haan/Solingen · Nach dem schrecklichen Anschlag in Solingen, bei dem mehrere Menschen getötet und viele weitere teilweise schwer verletzt wurden, haben die Stadt Hilden das große Fest der Kulturen und die Stadt Haan das Weinfest abgesagt. Auch der Prießnitz-Verein verzichtete auf sein Sommerfest. Die HAT feierte nach einer Schweigeminute am Holterhöfchen.
Es sollte so schön werden: Menschen unterschiedlicher Nationen feiern ausgelassen ein gemeinsames Fest der Kulturen im Herzen Hildens. Doch angesichts des schrecklichen Anschlags in Solingen, bei dem ein bislang noch Unbekannter mehrere Menschen getötete und weitere schwer verletzt hat, sagte die Stadt Hilden die zweitägige Veranstaltung am Samstagvormittag ab. Und auch Haans Bürgermeisterin Bettina Warnecke gab einen Tag nach der Eröffnung bekannt, dass das traditionelle Weinfest im Park Ville d’Eu nicht fortgeführt wird.
„Bei den Festlichkeiten in Solingen sollte es um Vielfalt gehen, um die Gemeinschaft, um das Beisammensein“, erklärt Hildens Bürgermeister Claus Pommer am Samstag. „An diesem Wochenende sollte auch in Hilden die Vielfalt im Rahmen des ,Fest der Kulturen‘ gefeiert werden. Die furchtbare Tat in Solingen lässt es nicht zu, dass wir nur wenige Stunden später unbeschwert zusammenkommen und feiern. Auch aufgrund der Sicherheitslage, aber vor allem aus Mitgefühl für die Menschen aus unserer Nachbarstadt, haben wir uns entschieden, das Hildener ,Fest der Kulturen‘ abzusagen.“ Ob es einen Nachholtermin geben werde, könne er noch nicht sagen. Darüber werde die Stadt zu einem späteren Zeitpunkt informieren.
Bei einem Messeranschlag auf der 650-Jahr-Feier der Stadt Solingen hatte es am späten Freitagabend drei Tote und fünf Schwerverletzte gegeben. Auch am Samstagmorgen war der Täter weiter flüchtig. Die Polizei warnte die Bevölkerung und mahnte zur Vorsicht.
„Wir sind entsetzt und tieftraurig über die schrecklichen Ereignisse, die unsere Nachbarstadt Solingen gestern erschüttert haben“, erklärt Hildens Bürgermeister Claus Pommer weiter. „Unsere Gedanken sind bei den Menschen, die ihr Leben verloren haben und bei denen, die um ihr Leben kämpfen sowie bei allen Angehörigen.“
Am Samstagmorgen informiert Claus Pommer die Vereine und Verbände, die am Fest der Kulturen teilnehmen sollten. Kurze Zet später bauen die ersten ihre Stände ab, so wie auch der griechisch-deutsche Freundeskreis Philia. „Wir verstehen das, man will nicht feiern“, sagt Penelope Karachristos. „Aber wir haben viel Arbeit und Geld reingesteckt.“ Jede Menge Lebensmittel hat der Freundeskreis eingekauft. „Gestern haben wir bis 23 Uhr aufgebaut“, so Karachristos. „Es ist eine Katastrophe. Erst Corona und nun das.“ Jetzt steckt das Fleisch in den Tiefkühltruhen und der Freundeskreis hofft, dass er die Sachen wenigstens zum Selbstkostenpreis abgeben kann. „Im Sommer hat ja niemand Platz im Gefrierschrank“, weiß Dagmar Austermann, die zum Helfen gekommen ist. Trotzdem versteht der Verein, dass die Veranstalter das Risiko des Festes nicht eingehen wollten. „Vor allem, weil der Täter noch frei herumläuft“, sagt Penelope Karachristos.
Auch der AC Italia Hilden baut seinen Stand ab. „Wir haben einen Partyservice vorbereitet“, erzählt Geschäftsführer Giovanni Parisi. „Und einen Getränkestand mit typisch italienischen Getränken und mit italienischer Musik.“ Es hätte alles so schön werden können.
Unterschiedliche Meinungen
der Bürger zur Absage des Festes
„Aber leider, verständlicherweise, ist unsere Freude getrübt worden angesichts dessen, was in Solingen passiert ist.“ In dieser Situation lasse sich kein Lachen, keine Musik und keine Freude verbreiten. Der Fußballverein habe dafür Verständnis. „In Gedanken sind wir bei den Familien“, betont Giovanni Parisi. „Viele unter uns haben auch Angehörige, die bei dem Fest in Solingen waren. Die Anrufe am Abend, ob es allen gut geht, die Angst, davon erholen wir uns jetzt auch.“ Unter diesen Umständen sei ein Fest, um Kulturen zu verbinden, etwas schwierig.
Das sagen auch Passanten in der Hildener Innenstadt. „Es ist so unfassbar, was da passiert ist“, meint Gabriele Möller. „Ich hatte selbst noch überlegt, ob ich zu diesem Festival nach Solingen fahre. Jetzt bin ich unendlich froh, dass ich es nicht getan habe.“ Dass das Fest der Kulturen in Hilden abgesagt wurde, sei schade, aber bestimmt besser so. „Ich hätte jetzt keine Laune, um zu feiern, muss ich ehrlich sagen“, sagt Gabriele Möller. „Immer hätte ich die Opfer in Solingen im Hinterkopf und die Angehörigen, denen jetzt sicher der Boden unter den Füßen weggezogen wurde.“ Eine andere Bürgerin bezweifelt, ob die Absage des Festes „etwas bringt.“ Sie meint: „Gefahr besteht immer.“ Auch ein älterer Bürger hätte das Fest der Kulturen nicht gänzlich abgesagt. „Vielleicht verkürzt, aber nicht komplett abgesagt“, meint er. „Die Vereine haben so viel Arbeit und Engagement reingesteckt. Das ist schade. Außerdem denke ich, sollten wir uns das Feiern nicht vermiesen lassen. Das ist doch genau das, was solche Leute wollen.“ Er ist überzeugt, dass dem Attentäter und seiner Tat zu viel Raum gegeben wird. „Nicht, dass ich das verharmlosen will. Nein, das ist furchtbar und mein Mitgefühl gehört den Angehörigen und den Opfern, die im Krankenhaus liegen. Aber ist es nicht so, dass der Attentäter gewonnen hat, wenn er erreicht, dass alles im Umkreis abgesagt wird?“ Auch Kirsten Krumm meint: „Wenn das so weitergeht, werden wir bald gar keine Feste mehr feiern.“
Am Wochenende waren in Hilden neben dem Fest der Kulturen weitere Veranstaltungen geplant, unter anderem das Sommerfest des Prießnitz-Kneipp-Vereins und das der Hildener Allgemeinen Turnerschaft (HAT). Der Prießnitz-Kneipp-Verein sagt Veranstaltung am Samstagvormittag ab. Die HAT dagegen feiert sein Sommerfest auf der Wiese zwischen Hallenbad und Helmholtz-Gymnasium am Holterhöfchen. Es soll eine Schweigeminute für die Opfer des Solinger Anschlags gegeben haben.
Abgesagt wurde auch das Haaner Weinfest im Park Ville d’Eu: „Wir können nicht feiern, wenn wenige Kilometer von uns entfernt unsere Nachbarstadt trauert“, erklärt Bürgermeisterin Bettina Warnecke.