Interview mit Claus Pommer „Verstehe die Verärgerung der Eltern“

Hilden · Bürgermeister Claus Pommer spricht im Interview über die scharf kritisierten Erhöhungen der OGS-Gebühren.

Hildens Bürgermeister Claus Pommer.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Viele Eltern sind in den vergangenen Tagen Sturm gegen die geplanten Erhöhungen der Betreuungsgebühren und dem teilweisen Wegfall der Geschwisterregelungen gelaufen. Einige haben sogar eine Online-Petition gestartet (siehe Infokasten). Politik und Verwaltung haben die Entscheidung darüber daher vertagt und wollen noch einmal über die Pläne diskutieren. Bürgermeister Claus Pommer spricht über das weitere Vorgehen.

Die Verwaltung schlägt eine Gebührenerhöhung im OGS- und eine Anpassung der Geschwisterregelung im Kita- und Grundschulbereich vor, um bis zu 450 000 Euro pro Jahr mehr einzunehmen. Sie haben drei Kinder – können Sie die Aufregung unter den Hildener Eltern verstehen?

Pommer: Ich verstehe die Enttäuschung und Verärgerung der Eltern wirklich sehr gut. Es ist zugegebenermaßen schwer zu vermitteln, dass es gerade im Bereich der Schulbetreuung zu Beitragserhöhungen kommen soll. Allerdings ist es so, dass wir nicht nur unseren defizitären Haushalt entlasten müssen, um nicht in die Haushaltssicherung zu geraten, sondern mit dem OGS-Konzept auch besondere qualitative Standards anbieten. Die Qualität der pädagogischen Betreuungsleistungen ist anerkanntermaßen besonders hoch und konzeptionell abgesichert. Außerdem sind wir in Hilden bereits heute nahezu bedarfsdeckend aufgestellt, das heißt, wir erfüllen im Grunde heute schon den ab 2026 geltenden Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulbereich. Der Arbeitskreis Schulentwicklungsplanung mit Beteiligten aus Verwaltung, Politik und Schule/OGS sowie Elternvertreter hat sich nach eingehenden Diskussionen dafür ausgesprochen, die Qualitätsstandards fortzuführen und zum Teil weiterzuentwickeln. Das ist mit erheblichen Kosten verbunden.

Was genau hat die Stadt vorgeschlagen?

Pommer: Die Betreuungsform VGS plus, die vor drei Jahren als Pilotprojekt gestartet war, wird in die Beitragssatzung übernommen. Entsprechendes gilt für die OGS 15 Uhr, ein Projekt der Arbeitsgruppe, um einerseits den Wünschen der Eltern gerecht zu werden und andererseits Personalstunden einzusparen. Außerdem schlagen wir eine Anpassung der Elternbeiträge an den durch den Landeserlass vorgegebenen Rahmen vor. Wenn Familien über niedrige Einkommen verfügen, wird das über die beibehaltene Beitragsstaffelung und die weitergeführte Freistellung dieser Gruppen berücksichtigt.

Die Geschwisterregelung bleibt innerhalb des Kita-Bereichs erhalten, ich muss nur für das Kind in der teuersten Betreuungsstufe zahlen – wenn aber ein weiteres Kind das OGS-Angebot nutzt, zahle ich für das Kita- und für das OGS-Kind?

Pommer: Das ist so richtig. Eine fehlende Finanzierung durch Elternbeiträge in der Kita, zum Beispiel durch die Beitragsfreiheit im letzten Kita-Jahr, wird vom Land durch Ausfallzahlungen zum größten Teil kompensiert. Das ist im OGS-Bereich allerdings nicht der Fall. Grundsätzlich gibt der Gesetzgeber dem Träger hier die Möglichkeit, eigene Regelungen zu erlassen. Das Land beteiligt sich aber nicht an den hierdurch entstehenden Beitragsausfällen.

Wenn diese Satzungsänderungen beschlossen werden, wird für viele Eltern ein satter Mehrbetrag fällig – sehen Sie noch eine Möglichkeit, Eltern nicht so immens zu belasten?

Pommer: Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass die Elternbeiträge seit fast sieben Jahren nicht mehr erhöht wurden. Trotzdem ist es mir wichtig, dass wir die Beitragserhöhungen möglichst sozialverträglich gestalten und untere Einkommensgruppen stärker entlasten. Außerdem sollten wir darauf achten, dass die stark kritisierte Geschwisterkind-Regelung abgemildert wird. Dazu liegen verschiedene Vorschläge, auch aus dem politischen Raum, auf dem Tisch.

Gibt es für die höheren OGS-Beiträge auch einen
Gegenwert?

Pommer: Ja, es gibt zukünftig fünf Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter in der OGS, die sich anteilig verteilen werden. Zudem werden die dringend notwendigen Koordinationstätigkeiten in den OGS-Teams durch zusätzliche Stunden ausgeweitet. Allerdings verzichten wir im Bereich der sogenannten Zweitkräfte auf Fachpersonal. Diese Gruppe muss künftig nicht mehr über eine Ausbildung als Erzieherin oder Erzieher verfügen, sondern kann sich auch über eine zertifizierte Zusatzausbildung qualifizieren. Hiermit reagieren wir auf den Arbeitsmarkt, der aktuell erheblich weniger Personalressourcen im Erzieherbereich bereit hält.

Sie hatten im Wahlkampf um das Bürgermeisteramt gesagt, Hilden solle familienfreundlicher werden – wie passt diese Beitragsanpassung denn zu Ihrem Versprechen?

Pommer: Es mag den Anschein haben, dass dies kaum zueinander passt, wenn man das neue OGS-Konzept, das wie gesagt auch unter Beteiligung von Schulen und Elternvertretern erarbeitet wurde, auf die Beitragsanpassungen beschränkt. Leider kommt in der Diskussion aber viel zu kurz, dass wir in Hilden eine pädagogische Arbeit in der Betreuung anbieten, die weit über das Angebot vieler Nachbarstädte hinausgeht. Die Schulbetreuung in Hilden verursacht erhebliche Kosten, die über die Elternbeiträge – auch nicht nach deren Erhöhung – nicht annähernd finanziert werden können. Hinzukommt, dass wir nach dem Eckwertebeschluss des Rates schon in 2022, erst recht in den nächsten Jahren, einen erheblichen Beitrag zur Konsolidierung unseres Haushalts erbringen müssen. Dazu gibt es keine Alternative, wenn wir nicht in die Haushaltssicherung geraten wollen, und wenn wir dauerhaft eine umfassende und hervorragende Schulbetreuung in Hilden gewährleisten wollen.

Am Montagabend hatte die Politik die Entscheidung vertagt. Es soll nun am 1. Dezember über das Thema abgestimmt werden – was passiert bis dahin?

Pommer: Die Thematik wurde aus dem Schul- und dem Jugendhilfeausschuss am Montag in den Ausschuss für Finanzen und Beteiligungen verwiesen, um der Verwaltung und den Ratsfraktionen die notwenige Zeit zu verschaffen, sich intensiv mit den vorliegenden Änderungsanträgen und weiteren Überlegungen auseinandersetzen zu können. Gegebenenfalls wird sich der Jugendhilfeausschuss noch mal kurzfristig zu einer Sondersitzung treffen. Es liegt eine ganze Reihe von Vorschlägen auf dem Tisch, die bewertet und abgestimmt werden müssen. Die Eltern können sich sicher sein, dass sich niemand die Entscheidung leicht macht und intensiv daran gearbeitet wird, eine tragfähige Lösung zu finden.