Klümmchen von Kanold: Hilden erinnert sich online
Ein Teil der Hildener Facebook-Gemeinde schwärmt derzeit von der früheren Bonbonfabrik an der Verbindungsstraße.
Hilde. Soziale Netzwerke haben ihre Tücken, können aber für den Austausch von Neuigkeiten und Erinnerungen dienlich sein. Bestes Beispiel: Bei Facebook schwelgt ein Teil einer Hildener Community derzeit in Erinnerungen an die ehemalige Bonbonfabrik Kanold an der Verbindungsstraße.
Wenn Anka Druskic an Kanold denkt, läuft ihr heute noch das Wasser im Munde zusammen. Damals, in den 60er Jahren, lebte sie als junges Mädchen gemeinsam mit ihrer Schwester und Mutter in Kroatien, der Vater arbeitete in Hilden. „Mehrmals im Jahr kam uns mein Vater besuchen und er brachte immer kiloschwere Tüten mit Bonbons von Kanold mit, wir haben uns immer so gefreut“, erinnert sich die heute 61-Jährige.
Dr.Wolfgang Antweiler, Leiter des Stadtarchivs
Auch Dr. Wolfgang Antweiler hat noch vage Erinnerungen an die rheinländischen Süßwaren. „Ich meine, die Bonbons hatten einen sehr speziellen, karamelligen Geschmack, man hat sie direkt wiedererkannt.“ Der Leiter des Stadtarchivs und des Wilhelm- Fabry-Museums freut sich über das Interesse der Hildener Bürger an der Zuckerwarenfabrik. Er stellt gerne umfangreiches historisches Material zur Verfügung, um neben den Erinnerungen der Bürger an Bonbongeschmack- und -form auch geschichtliche Hintergründe des Unternehmens öffentlich zu machen.
1914 wurde die Firma Kanold in Berlin gegründet, hatte nach dem Krieg ihren Sitz erst in Essen, später in Duisburg. Heinrich Mudersbach, der Sohn des Gründers, führte das Unternehmen seines Vaters später in Hilden fort. „Es gab dort immer ein Pfund Gemischtes für eine Mark“, erinnert sich ein Facebook-User, „und ich war Großabnehmer. Meinen Zahnarzt hat es gefreut.“ „Dieser Geruch“, schwärmt eine Hildenerin. „Ich mochte so gerne die Eukalyptusbonbons in dem grünen Papier“, teilt eine andere mit. „Ich die kleinen Minifruchtbonbons, die flogen immer beim Karnevalszug“, erzählt eine Dritte.
Es war aber vor allem die Produktion von Malz- und Karamellbonbons, die Kanold einen Jahresumsatz von rund 12 Millionen Mark verschaffte. Doch der Betrieb ging 1986 in Konkurs und wurde 1987 an die niederländische Süßwarengruppe van Helle verkauft. Das Kanoldsortiment wurde fortan in Holland produziert, der Vertrieb lief über van Helle in Detmold. Für die meisten der 110 Angestellten sollte das Aus von Kanold auch das Aus im Süßwarenbereich bedeuten. „Es stehen im gesamten Bezirk des Arbeitsamtes Düsseldorf keine Arbeitsplätze in dieser Branche zur Verfügung“, so im April 1987 ein Vertreter der Gewerkschaft Nahrung, Genuss und Gaststätten (NGG). „Meine Mutter hat dort gearbeitet“, schreibt eine Hildenerin bei Facebook, „und sie ist immer dort eingeschlafen, weil das Verpacken der Bonbontüten in Kartons so eintönig war.“ Fest steht: Das Fabrikantenehepaar Heinz und Wilma Mudersbach zeigte sich engagiert, weit über die beruflichen Tätigkeiten hinaus. Er war langjähriges Ratsmitglied in Hilden und FDP-Fraktionsvorsitzender, sie war Gründerin einer Stiftung (seit 1996), deren Rendite alten und armen Menschen zukommen sollte. Und es scheint so, als sei die soziale Komponente bereits in der Kanold-Bonbonfabrik recht groß geschrieben worden. „Ich weiß, dass dort Menschen mit Handicap beschäftigt wurden“, schreibt eine ältere Userin. Ein anderer, ehemaliger Anwohner schwärmt: „Wir sind als Kinder immer zu dem Pförtner und haben ihm Bonbons abgeschwatzt.“ In einem Punkt aber ist die Facebook-Gemeinde gar nicht einig: Heißt es jetzt Bonbons oder Klümmchen? Die diplomatische Antwort einer Schreiberin folgt prompt: „Ob Bonbon oder Klümmchen — letzten Endes verschwinden sie alle im Mündchen.“