Kriegsende - Die mutigen Männer Gruitens
Udo Koch-Mehrin hat die wahren Hintergründe der Rettung von Gruiten zum Kriegsende am 16. April 1945 notiert. Drei Männern ist die Kapitulation zu verdanken.
Gruiten. Vor fast genau 67 Jahren, am Montag, 16. April 1945, drohte Gruiten in die Endkämpfe um das Ruhrgebiet hineingezogen zu werden. Bis dahin war der Ort, abgesehen von den Bomben des Fliegerangriffs in der Neujahrsnacht 1945, einigermaßen verschont geblieben.
Das in Gruiten stationierte Ersatz-Bataillon 162 sollte den Vormarsch der alliierten Truppen an der Bahnlinie in Gruiten stoppen. Durch die mutige Haltung des damaligen Bataillonskommandanten, Oberleutnant Johannes Baczewski, wurden Gruiten und seine Bevölkerung vor Tod und Zerstörung gerettet. Baczewski weigerte sich, den „Führerbefehl“ der Heeresgruppe B (West) zu befolgen und die alliierten Truppen an der Bahnlinie Wuppertal — Düsseldorf aufzuhalten. Dafür wurde ihm im vergangenen Jahr ein Denkmal in der Nähe der Bahnlinie gesetzt.
Es musste dem jungen Oberleutnant und seinem Stab vom Verstand her klar gewesen sein, dass es ihnen mit ihren militärisch begrenzten Mitteln niemals gelungen wäre, den Durchbruch der alliierten Streitkräfte zu verhindern und dass sowohl die Zivilbevölkerung als auch seine Soldaten sehr gefährdet gewesen wären. Dennoch wäre er als gehorsamer Soldat und Kommandeur eines Bataillons seinem Eid auf den „Führer“ nachgekommen — hätten ihn nicht in der Nacht vom 15. auf den 16. April 1945 drei Männer in seinem Gefechtsstand — eingerichtet im Keller des Hauses Lohoff an der heutigen Bahnstraße 28 — aufgesucht und von der aussichtslosen Lage überzeugt.
Die mutigen Gruitener — Kapitulation war bei Todesstrafe verboten — waren Walter Lohoff, Kirchmeister der evangelisch-refomierten Gemeinde Gruiten, Prälat Bernhard Marschall, Pastor der katholischen Gemeinde in Gruiten, und der damalige stellvertretende Amtsleiter von Gruiten und ehemalige Kirchleiter der evangelischen Gemeinde von Gruiten, Wilhelm Friederichs. Ihnen ist es maßgeblich zu verdanken, dass Gruiten nicht völlig zerstört wurde und zahlreiche Menschen in einer sinnlosen Abwehrschlacht sterben mussten.
Wilhelm Friederichs, der als Beamter der NSDAP angehörte, muss auch in den schwierigen Jahren des NS-Terrors ein treues Gemeindeglied gewesen sein. Er war es auch, der Pastor Johannes Koch, mit dem die drei mutigen Männer vor und während der Unterredung mit dem Oberstleutnant in Kontakt standen und der ihre Aktion billigte und unterstützte, noch wenige Tage vorher gewarnt hatte. Kochs Name und der des Prälaten Marschall seien in einer Parteirunde genannt worden. In einer Nacht- und Nebelaktion sollten sie und weitere Personen noch vor Eintreffen der alliierten Streitkräfte beseitigt werden.
Als Friederichs von der geplanten Exekution erfuhr, zögerte er nicht und informierte Pastor Koch. Der setzte seinen katholischen Amtsbruder über die geplante Exekution in Kenntnis und deponierte in einer Höhle in einem alten Steinbruch an der Düssel Decken und Lebensmittel, um dorthin fliehen zu können. Dies blieb ihm erspart, zu turbulent waren wohl die letzten Apriltage in Gruiten.
Mit den amerikanischen Truppen vereinbarte Oberleutnant Baczewski am Morgen des 16. April 1945 eine kampflose Übergabe, die von vereinzelten Schießereien abgesehen, eingehalten wurde. Er und ein englisch sprechender Feldwebel gingen, eine weiße Fahne schwenkend, über die Brücke an der Eisenbahnlinie zu den in Warteposition verharrenden Amerikanern. Dabei mussten sie vor dem ersten Panzer als Garant der friedlichen Absicht und als menschlicher Schutzschild die Brücke passieren und verhinderten dadurch gleichzeitig auch die geplante Sprengung der Brücke.
Doch nicht nur ihm ist die Rettung Gruitens im April 1945 zu verdanken, auch an Walter Lohoff, Bernhard Marschall und Wilhelm Friedrichs muss bei der Erinnerung an diese folgenschweren Tage gedacht werden.