Kriminalität in Hilden und Erkrath Razzia wegen gefälschter Impfpässe

Hilden/Erkrath · Die Polizei durchsucht 15 Objekte in sieben Städten – darunter Erkrath und Hilden. Hier wurden Käufer angesprochen.

Zeitgleich durchsuchte die Polizei am Dienstag 15 Wohnungen und Ladenlokale in sieben nordrhein-westfälischen Städten.

Foto: Bundespolizei

Anwohner des Lindenplatzes in Hilden schauten am Dienstagmorgen interessiert aus ihren Fenstern: Die dortige Corona-Teststelle gehörte zu insgesamt drei Ladenlokalen und zwölf Wohnungen in Düsseldorf, Duisburg, Solingen, Köln, Dinslaken und Erkrath, die im Rahmen einer Großrazzia durchsucht wurden. Darunter befanden sich auch eine Apotheke und ein Kosmetikstudio in Düsseldorf. In Hilden machen die Ermittler offenbar ein Zentrum des mutmaßlichen Urkundenbetrugs aus. Insgesamt gehen sie von zehn Beteiligten deutscher und türkischer Herkunft im Alter zwischen 32 und 57 Jahren aus.

Der Vorwurf von Polizei und Staatsanwaltschaft: Fälschung und Verkauf von Impfausweisen und Impfzertifikaten in großem Stil. Die Ermittler sprechen von „mehreren hundert Fällen“. In Hilden habe die Polizei einen 44 Jahre alten Deutschen festgenommen. In einer zeitgleich in Duisburg durchsuchten Wohnung wurde eine 40-jährige Türkin abgeführt. Ein Richter schickte beide Hauptbeschuldigte in die Untersuchungshaft. Der Staat zog Geld und Luxusuhren im Gesamtwert von knapp 200 000 Euro ein. Im Falle einer Verurteilung sollen die beteiligten Personen den Reibach aus ihren illegalen Geschäften nicht behalten dürfen.

In Hilden war das Testzentrum am Lindenplatz geschlossen.

Foto: Tobias Dupke

Noch dauern die Ermittlungen an. Aber soviel wissen Polizei und Staatsanwaltschaft nach eigenen Angaben bislang: Mitarbeiter des Hildener Testzentrums sollen ihren Kunden signalisiert haben, dass es dort nicht bloß Schnelltests gab – sondern auf Wunsch auch Impfausweise und Impfzertifikate. Bei den Durchsuchungen stellte die Polizei rund 300 Impfbücher, etwa 1000 Chargenetiketten angeblicher Impfstoffe gegen eine Covid-19-Infektion, 10 falsche Arztstempel, Datenträger und Mobiltelefone sicher.

Über eine Apotheke in Düsseldorf sollen die Täter Zugang zum Zertifizierungssystem gehabt haben.

Foto: Bundespolizei

Laura Hollmann, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Düsseldorf, beschreibt die Aufgabenverteilung innerhalb der Gruppe grob so: Da habe es neben einzelnen Mitarbeitern der Hildener Teststelle Vermittler und Kuriere gegeben. Diese hätten die Kundenwünsche entgegengenommen und die gefälschten Impfnachweise gegen Bargeld ausgegeben.

Mittäter füllten die gelben Rohlinge in Heimarbeit aus

Ein anderer Kreis von Mittätern füllte in Heimarbeit die gelben Rohlinge der Impfbücher mit allem aus, was in der echten Corona-Welt dazugehört: dem Etikett der Chargennummer beispielsweise, einem nachgemachten Arztstempel und einer akademisch-unleserlichen Paraphe eines niemals anwesenden Impfarztes.

Über die Apotheke in Düsseldorf hatten die mutmaßlichen Täter offenbar Zugang zum Zertifizierungssystem, das Ausdrucke mit scanbaren QR-Codes generiert. Was die über die Computersysteme der Apotheke hergestellten echten Impfnachweise ohne tatsächlichen Impfschutz gekostet haben, möchten Polizei und Staatsanwaltschaft nicht sagen. Insider sprechen von 50 bis 350 Euro pro Stück.

Offenbar glauben die Ermittlungsbehörden, sehr genaue Vorstellungen vom kriminellen Reibach zu haben, den die Gruppe seit dem 23. August 2021 erzielen konnte. Per richterlichem Beschluss zog die Staatsanwaltschaft 132 000 Euro ein. Dieser „Wertersatz“ soll in etwa dem kriminellen Gewinn entsprechen, den die Gruppe erzielt haben soll. Zudem wurden 45 000 Euro Bargeld und Sachwerte, darunter teure Chronometer-Uhren für insgesamt 15 000 Euro, beschlagnahmt. Bei einem Beschuldigten fanden die Beamten obendrein „gefährliche Gegenstände und verbotene Waffen“. Dazu zählen sie diverse Messer und Schlagringe.

Am Ende soll der offenbar ebenso gewinnbringende wie stetige Handel mit gefälschten Impfnachweisen durch einen Kunden aufgeflogen sein. In einem anderen Verfahren sei gegen eine Person ermittelt worden, die mit einem offensichtlich gefälschten Impfnachweis unterwegs gewesen war. Das ist nach einer Gesetzesänderung Ende 2021 kein Kavaliersdelikt mehr. So habe man erfahren, woher die Impfnachweise stammten und startete die Durchsuchungen am Dienstag alle zeitgleich – so hatten die Mitglieder der Gruppe keine Gelegenheit mehr, sich gegenseitig zu warnen.

An der Teststelle in Hilden hing am Dienstagnachmittag lediglich ein handgeschriebener Zettel: „Heute wegen technisch. Probleme geschlossen“. Für Staatsanwaltschaft und Polizei geht die Arbeit indes weiter. Die beschlagnahmten Mobiltelefone müssen ausgewertet werden. Zudem wollen sich die Beamten intensiv mit den Beschuldigten unterhalten. Noch ist ungewiss, ob sich daraus Ansätze für weitere Ermittlungen und Verfahren ergeben.