Seit 100 Jahren groß im Zerkleinern
Es begann bei der Haaner Firma Retsch mit einer Mörsermühle. Heute erzielt die Firma 55 Millionen Euro Umsatz.
Seine Erfindung war bahnbrechend. Vielleicht auch, weil sie ähnlich wie die Waschmaschine den Menschen viel Arbeit abnahm: Im Jahr 1923 entwickelte der Düsseldorfer Unternehmer Friedrich Kurt Retsch eine Mörsermühle, die als „Retsch-Mühle“ weltweit zum Begriff wurde. Denn sie nahm Apothekern und Labormitarbeitern die mühselige Zerkleinerung von Proben und Substanzen in Handmörsern ab. Schnell setzte sich das Gerät durch — und wurde immer weiter entwickelt.
Ob für die Nahrungsmittel- oder pharmazeutische Industrie, ob für das Glasrecycling oder die Verwertung von Hausmüll — heutzutage gibt es kaum einen Stoff, der von einer Retsch-Labormühle nicht zerkleinert werden könnte.
Die Produkte der Firma Retsch sind nach wie vor gefragt — in diesem Jahr feiert das Haaner Unternehmen, gegründet 1915 in Düsseldorf, sein 100-jähriges Bestehen. Im Nischenmarkt der Labormühlen deckt das Unternehmen mit rund 55 Millionen Euro Umsatz im vergangenen Jahr etwa ein Fünftel des Weltmarktes ab. Das aktuelle Flaggschiff des Unternehmens ist die Hochleistungs-Kugelmühle „E-Max“, die Proben bis in den Nanometerbereich zerkleinert, also in feinste Partikel, deren Einzelteile mit bloßem Auge nicht mehr zu erkennen sind.
„Diese Nano-Mühle ist eine ganz andere Welt“, sagt Patricia Jung, Leitung Vertriebsgesellschaften und Zentralmarketing. Die 57-Jährige arbeitet seit 38 Jahren in dem Unternehmen, hat noch seine Zeit als Inhaber geführten Betrieb erlebt. Als noch die Familie Sijsling die Geschicke lenkte — sie stieg 1952 ins Unternehmen ein — , „da hat Herr Sijsling noch selbst an den Geräten getüftelt. Da standen auch schon mal halb fertige Mühlen zwischen den Kaffeemaschinen“, erinnert sich Jung schmunzelnd.
Mittlerweile gehört der Betrieb zur niederländischen Verder-Gruppe, hat eine eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung und beschäftigt in Haan 200 Mitarbeiter, die auf fünf Schwesterfirmen verteilt sind. Die Absatzmärkte sind international, die Exportquote von Retsch liegt bei außergewöhnlich hohen 80 Prozent. Seit 2012 ist das Unternehmen im Technologiepark ansässig.
Es gibt in mehreren Ländern Tochtergesellschaften, eine weitere soll in Brasilien gegründet werden. „Damit sind wir in den zehn größten Volkswirtschaften vertreten“, sagt Jung. Die Firma Retsch hat sich den Status eines „Hidden Champion“, wörtlich übersetzt: eines versteckten Siegers erarbeitet — ein Status, der dem Unternehmen auch der renommierte Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Hermann Simon bestätigt.