Hilden Stoffreste sollen zum Kunstwerk werden

Hilden. · Bei der Kreativ-Aktion des Hildener Sommers können sich Bürger im Weben ausprobieren.

Auftakt zur Web-Aktion am alten Markt: Brigitte Bruns fädelt einen Stoffrest in die auf den Webrahmen gespannten ockerfarbenen Fäden ein.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Wenn heutzutage von einer Web-Aktion die Rede ist, denken viele Menschen vermutlich zunächst an Virtuelles im World-Wide-Web und weniger an ein altes Handwerk. In der Tat stehen aber bei der Kunst-Aktion mit Kette, Schuss und Schiffchen, die die Düsseldorfer Künstlerinnen Bianca Baierl und Sofia Magdits im Rahmen des Hildener Sommers auf dem alten Markt starteten, Textil-Kunst und ein gemeinsam mit Hildener Bürgerinnen und Bürgern geschaffenes Werk im Mittelpunkt. Das Patchwork-Kunstwerk ist eng mit Hildens Geschichte als Standort textiler Fertigung verbunden. Einst generierte die Textilindustrie viel Wohlstand in der Stadt, was bereits Anfang des Jahres durch die Ausstellung „farbSTOFF“ von Barbara Esser und Wolfgang Horn dokumentiert wurde.

Der Webrahmen lädt mitten
in der Stadt zum Mitweben ein

In den nächsten Tagen wird der Webrahmen auch an anderen Standorten in der Innenstadt zum Mitweben einladen. Es dauert nicht lange, da kann Sandra Abend vom Hildener Kulturamt, das die Web-Aktion begleitet, die ersten Neugierigen begrüßen. Derweil hat Bianca Baierl, diplomierte Textildesignerin und Studentin der Düsseldorfer Kunstakademie, gemeinsam mit ihrer peruanischen Kommilitonin Sofia Magdits damit begonnen, auf dem Markt einen selbst hergestellten Webrahmen aufzubauen. In ihrer Heimat Peru habe die Webkunst eine lange Tradition, seit 4000 vor Christus würden immer neue Muster und Farbkombinationen entstehen, sagte die Künstlerin, die Weben als Malerei mit Stoffen definiert.

Wolle dick wie Rasta-Zöpfe, hauchfeiner Satin und auch Jacquard stehen zum Verweben den Freiwilligen zur Verfügung, aber die Initiatorinnen fänden es auch gut, wenn die Mit-Weber auch eigenes Material mitbrächten, denn das würde dann eine größere Vielfalt an Strukturen und Mustern bewirken. „Einfach an die alten Leinenweber denken und loslegen“, fordert Bianca Baierl temperamentvoll die Umstehenden auf mitzumachen. „Die Idee finde ich super, und zudem entsteht etwas Schönes, ohne sich gleich mit Farbe schmutzig zu machen“, sagt Brigitte Bruns, die als Künstlerin des Kunstvereins H 6 ansonsten mit Acrylfarben arbeitet. Sie traut sich als erste, sucht mit dem erfahrenen Blick einer ehemaligen Lehrerin für Textilgestaltung aus dem Korb zur Verfügung stehender Textilreste ein Band heraus und fädelt es geschickt per Hand durch die auf den Webrahmen gespannten ockerfarbenen Woll-Fäden. „Ich finde das sehr spannend zu sehen, was da entsteht“, sagt Veronika John-Wickel, die sich noch gut an den Webrahmen aus ihrer Kindheit erinnern kann und heute insbesondere von der Recycling-Idee fasziniert ist. „Alle möglichen Stoffreste, alte Tücher oder T-Shirts, was auch immer, alles findet eine neue Verwendung“, so John-Wickel, die vor vielen Jahren tatsächlich auch in der Textil-Industrie tätig war und nun Askar beim schlängelnden Einfädeln eines orangenen Fadens hilft. „Wenn das mal fertig ist, kann man dann immer sagen, das war ich“, ermuntert Veronika John-Wickel das neunjährige Mädchen. „Ich habe von dieser Aktion in der Zeitung gelesen und finde sie sehr gut“, sagt Monika Tefke, die nach etwas Überwindung jetzt an einem kleineren Webrahmen arbeitet. Sie könnte sich zudem gut das Atrium von St. Jacobus als späteren Ausstellungsort vorstellen.