Bunte Kunstwerke müssen weichen
Graffiti-Sprayer verwandelten die Menk-Hallen in eine beeindruckende Bilderwelt. Nun beginnt der Abriss.
Monheim. Gestern gerade fertig geworden, verschwinden sie ab heute schon wieder Stück für Stück: die Kunstwerke an den Lager- und Produktionshallen der Firma Menk. „Das ist der Sinn von Graffiti-Kunst, dass sie nicht dauerhaft bleibt, außer auf Fotos“, sagt Jaroslaw Masztalerz. „Morphose 126“ heißt das Projekt, das die zum Abriss bereit stehenden Hallen der Beton-Fabrik noch ein letztes Mal zum Leben erweckt.
Dass sich der Abrisskomplex in den letzten Wochen in ein Dorado für die Sprayer-Szene verwandelt hat, ist der Menk-Geschäftsführerin Lilo Ihringer zu verdanken, eine kreative Querdenkerin, deren Begeisterung für die Fleißarbeit der jungen Leute spürbar ist.
Jaroslaw und Alex Weigandt haben sich als Sprayer-Team den Kunstnamen Tubuku gegeben. Eine Wortschöpfung der beiden Kommunikationsdesigner, einem Kasachen und einem Polen, die seit 20 Jahren mit der Farbdose unterwegs sind. Der Name bedeute so viel wie „zuviel des Guten“ (too beaucoup“), erklären sie.
Sehr viel des Guten finden die Freunde von Graffiti-Kunst noch kurze Zeit auf dem Menk-Gelände an der Opladener Straße 160. Vier Wochen lang haben Jaroslaw und Alex die grauen Wände der Industriebrache mit 23 anderen Künstlern in eine beeindruckende Bilderwelt verwandelt, in der übergroße Mikroskop-Ansicht von Ebola-Viren in Neonfarbe die Blicke fesseln, ein Eichhörnchen 100 Quadratmeter Wandfläche bedeckt und ein rosa Flamingo seinen langen dünnen Hals über eine ganze Front reckt.
Jaroslaw und Alex sprühen vor Energie, als sie ihre Kunst zeigen. „Ja“, sagt Jaroslaw, „wir waren die letzten Wochen ohne Unterbrechung an er Arbeit, wir haben hier bei minus acht Grad sogar übernachtet, weil wir fertig werden wollten.“
Das Ergebnis ist phänomenal und unglaublich fantasievoll, der Kontrast von überbordendem Leben auf sterbenden Mauern ein Erlebnis. Immerhin haben die Künstler mehr als 2000 Quadratmeter Wand bearbeitet. Inklusive Steuerungsmaschinen, Stromverteilerkästen und Schlammschürzen. Übergroße Gnome, Eulen, Gesichter, Tiere und Comic-Figuren beleben die vielen leerstehenden Hallen kurz vor ihrem Abriss. Weit über 1000 Neugierige haben sich von den plakativen Werken bisher anlocken lassen. Die Sprayer loben ihren Tummelplatz in den höchsten Tönen. „Die Wände sind wunderbar, nicht so runtergekommen, völlig frei und unbeschmiert“, sagt der freischaffende Künstler Lukas aus Wuppertal. Je größer die Fläche, desto besser. Zum Glück stehen noch ein paar Hebebühnen herum.
Am Samstag durften sich Kinder der Peter-Ustinov-Schule in einer der Hallen als Sprayer an Betonmonolithen versuchen. Natürlich mit großen Begeisterungspotenzial. Der Reiz, bei Regen, Schnee und Kälte in ungeheizten, feuchten Hallen stundenlang verfroren auf der Leiter zu stehen, liegt vor allem darin, „sich der Öffentlichkeit zeigen zu wollen“.
„Und alles ist Gemeinschaftswerk, arbeiten immer zu mehren an einem Projekt“, schwärmen die Zwei von Tubuku. „Wir schaffen dekorative Kunst und ästhetische Gestaltung, wo sonst Schmierereien und Verfall sich breitmachen würden.“