„Die Kapelle stand bei jedem Hochwasser im Rhein“
Hans Schnitzler, Vorsitzender des Monheimer Marienkapellen-Vereins, über die Bedeutung der Wallfahrtskirche.
Vier Jahre nach dem 500-jährigen feiern Sie im kommenden Jahr gleich das 600-jährige Jubiläum der Marienkapelle. Das müssen Sie uns erklären?
Hans Schnitzler: Die heutige Marienkapelle wurde 1514 aus Stein gebaut. Aber sie hatte, wie damals üblich, einen Vorgängerbau aus Holz, der mit Hilfe der Rheinschiffer 1418 als Wallfahrtskapelle errichtet wurde. Daher haben wir die seltene Gelegenheit, so kurz hintereinander 500. und 600. Jubiläum zu feiern.
Worauf dürfen sich die Monheimer im Jubiläumsjahr freuen?
Schnitzler: Unter anderem auf das Jubiläumskonzert am 17. Juni. Unter der Leitung von Oliver Drechsel erklingt in der Marienkapelle „Rossini: Petite messe solenelle“. Weiter hoffen wir auf den Besuch des Kölner Erzbischofs Rainer Maria Woelki und unserer Schirmherren Ulla Hahn und Klaus von Dohnanyi. Gespräche mit verschiedenen Rheinschiffer-Vereinen waren vielversprechend, aber leider konnten noch keine Termine festgelegt werden.
In der Nachbarschaft der Marienkapelle wird seit mehr als einem Jahr kräftig gebuddelt und gebaut. Hat das Kleinod die Großbaustelle bisher gut überstanden?
Schnitzler: Vor Beginn der Arbeiten wurden die Mauern der Marienkapelle intensiv begutachtet und bis jetzt hat sich an dem guten Zustand nichts geändert. Das 504 Jahre alte Gebäude hat in seiner Geschichte schon viele Gefahren überstanden. Besonders am Ende des Zweiten Weltkriegs, als die Pfarrkirche St. Gereon bis auf die Grundmauern zerstört wurde. Auch der Fluss hat sie, die einzige Marienwallfahrtskapelle am gesamten Rhein, nicht kleingekriegt. Sie stand über 400 Jahre bei jedem Hochwasser im Rhein, sie war Teil des Stroms. Unseren Vereinsnamen „Marienkapelle am Rhein“ haben wir patentieren lassen — wir hätten ihn „Marienkapelle im/am Rhein“ nennen sollen.
Was versprechen Sie sich von der Umgestaltung des Kapellenumfelds? Was vom Rheinanleger?
Schnitzler: Die Kapelle wird für die Menschen besser zu sehen sein, Besucher können sich direkt um die Kapelle bewegen und erhalten dort viel mehr Sitzmöglichkeiten. Die Errichtung eines äußeren Kreuzwegs mit sieben Stationen, wie es zur Entstehungszeit der Kapelle üblich war, ist geplant. Vom Rheinanleger verspreche ich mir weitere auswärtige Besucher. Wenn die Marienkapelle wieder ihre Bedeutung erhält, die sie im 15./16. Jahrhundert besaß, können die Zugangswege über den Rhein ein zusätzlicher Attraktionspunkt für Pilger und andere Besucher sein. Das beweist schon das Piwipper Böötchen: Von dessen jährlich 20 000 Passagieren haben etliche auch die Marienkapelle für sich entdeckt.
Der Kapellenverein hat sein erstes Jahrzehnt hinter sich. Ihre Bilanz?
Schnitzler: Auf jeden Fall eine, die sich in meinen Augen sehen lassen kann. Um nur die wichtigsten Punkte zu nennen: Neues Mobiliar und neue Technik sowie die Betreuung einer wachsenden Zahl von Pilgergruppen. Das schlägt sich auch in den Gesamtbesucherzahlen nieder. In diesem Jahr dürften rund 10 000 gekommen sein. Wichtig ist auch die Wertschätzung durch die Stadt: Die Marienkapelle ist Bestandteil des dezentralen Museumskonzepts „MonChronik“ mit entsprechender Beschilderung und Info-App. Nicht zu vergessen die „Klangwellen 714“.
Welche Bedeutung hat die Konzertreihe für die Kapelle?
Schnitzler: Die „Klangwellen 714“ haben sich seit der Premiere 2009 zu einem festen Event entwickelt. Im Februar steht die 100. Auflage an. Die monatlichen Konzerte bieten zumeist musikalischen Hochgenuss. Die oft absolute internationale Klasse der Musiker, die in der Kapelle spielen, bedeutet auch, dass die Zuschauer zum Teil von weit her kommen, etwa aus Bonn, Aachen, Krefeld oder dem Ruhrgebiet.
Wer kommt noch so in die Marienkapelle?
Schnitzler: Neugierige mit christlicher Einstellung oder ohne. Vorbeikommende, die sich vom Gebäude und seiner Illumination angezogen fühlen. Christliche Gruppen wie KAB, kfd, Kolping, aber auch Muslime oder historisch Interessierte. Teilnehmer von Neanderland-Erlebnistouren oder solchen des Vereins der Romanischen Kirchen Köln. Viele kommen wegen der hervorragenden Akustik zu musikalischen Veranstaltungen oder Andachten, bei denen Musik eine besondere Rolle spielt. Dazu gibt es Hochzeiten oder etwa Goldhochzeiten.
Ich persönlich finde es immer schade, wenn ich an einer Kirchentür ruckele und diese verschlossen bleibt. Anderen wird das genauso gehen. Ist eine tägliche Öffnung der Marienkapelle von morgens bis abends denkbar?
Schnitzler: Ihre Meinung teile ich völlig. Eine geschlossene Kirche ist eine abwesende Kirche. Deshalb ist es unser Ziel, die Marienkapelle so oft und solange wie möglich geöffnet zu halten. Manchmal schließe ich die Kapelle bei gutem Wetter morgens auf, und erst abends nach Einbruch der Dunkelheit wird sie geschlossen. Wenn eine Überwachungskamera angeschlossen ist, was bei der Umfeldveränderung um die Kapelle mitgeplant ist, wird dies täglicher Ablauf sein — dies ist mit dem Chef des Hotels „Zum Vater Rhein“, Herrn Lohrum, bereits abgesprochen.