Förderbedarf: Kindergärten in Monheim schlagen Alarm

Kinder haben immer größere Defizite. Die Einrichtungen im Berliner Viertel wenden sich jetzt direkt an Stadt und Landesregierung.

Monheim. Wenn ein Kind aus dem Berliner Viertel heute in den Kindergarten kommt, kann es sein, dass es kein deutsches Wort spricht, nicht mit Messer und Gabel essen und noch nicht allein auf die Toilette gehen kann. Und dann wäre dieses Kind nicht einmal die Ausnahme. Die Zahlen sprechen für sich: Zurzeit gehen aus dem Berliner Viertel 446 Kinder in fünf verschiedene Kitas.

Mehr als die Hälfte von ihnen, nämlich 271 Kinder, haben Sprachprobleme. 122 von ihnen haben motorische Defizite. 117haben Wahrnehmungsstörungen, können nicht richtig sehen, hören und ihren Körper wahrnehmen. 83Kinder können keine Regeln einhalten.

Für die Erzieher in den Kindergärten heißt das, dass sie mehr Arbeit haben, als sie leisten können. "Ich mache diesen Job jetzt seit 30 Jahren, seit zehn Jahren kommen die Kinder mit drastisch zunehmenden Defiziten zu uns", sagt Bärbel Frischmuth, stellvertretende Leiterin der Kita Grunewaldstraße.

Sie hat mit 15-jährigen Müttern zu tun und mit Eltern, die sie selbst schon als Kinder betreut hat, und die ebenfalls mit Förderdefiziten zu tun haben. "Wir verbringen immer mehr Zeit damit, die Eltern mitzubetreuen, haben dafür aber kein Personal", sagt sie.

Unter anderem aus diesem Grund haben sich jetzt alle fünf Kitas, die Kinder aus dem Berliner Viertel betreuen, getroffen und über zukünftige Maßnahmen gesprochen. Anlass ist eine im August 2011 anstehende Novellierung des Kinderbildungsgesetzes (Kibiz), an dem sich die Monheimer mit eigenen Vorschlägen beteiligen möchten.

In einer gemeinsamen Erklärung fordern sie unter anderem, dass Kinder aus sozialen Brennpunkten frühestmöglich in Kindergärten aufgenommen werden. "Je früher die Kinder kommen, desto geringer sind noch ihre Defizite. Gerade bei Kindern, die zu Hause kein deutsch sprechen, ist es wichtig, dass sie früh zu uns kommen", sagt Bärbel Frischmuth.

Daneben fordern sie, die Gruppen zu verkleinern, um eine intensivere Betreuung zu ermöglichen. "Heutzutage betreuen zweiErzieher eine Gruppe von 20bis 25Kindern, von denen die meisten eine individuelle Betreuung brauchen", sagt Frank Busch, der das Papier als Vertreter der Evangelischen Kirchengemeinde Monheim (als Kita-Träger) aufgesetzt hat.

Aber auch die Stadt wird angesprochen: So fordern die Erzieher eine Ausweitung der 45-Stunden-Plätze. Diese würden bislang nach Möglichkeit nicht an Hartz-IV-Familien vergeben. Annette Berg, Leiterin des Jugendamtes, möchte das nicht bestätigen.

"Hartz-IV-Bezieher werden nicht gezielt ausgeschlossen", sagt sie. Allerdings gibt es drei gleichgewichtige Gründe, warum man Anspruch auf einen 45-Stunden-Platz hat: Wenn das Kindswohl gefährdet ist, wenn die Mutter eine Ausbildung beginnt, und wenn sie in den Beruf zurückkehrt. Für Hartz-IV-Familien kann das durchaus einen Ausschluss bedeuten - es sei denn, der erste Punkt trifft zu.

Bärbel Frischmuth hält eine Ausweitung der Betreuungszeiten gerade in Brennpunkt-Vierteln für unausweichlich: "Manche Kinder lernen erst bei uns Normalität kennen."