Führungen zu den Stolpersteinen der Stadt
Der Historiker und Politologe Uwe Augustin sucht nach Spuren des Dritten Reiches.
Langenfeld/Monheim. Wenn es gerade geregnet hat, oder der Wind Blätter und Staub über das kleine Messingquadrat vor dem Haus Ganspohler Straße 13 geweht hat, muss man schon sehr genau hinschauen, um den Namen von Albert Salomon auf dem Stolperstein lesen zu können. Der Langenfelder Historiker Uwe Augustin (56) macht dort während seiner rund eineinhalbstündigen Stolpersteintour, die an der katholischen Kirche St. Josef beginnt und bis zum Amtsgericht führt, zum ersten Mal Halt. Die Stadt gedenke mit ihren 15 Stolpersteinen den in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgten und ermordeten Bürgern jüdischen Glaubens, sagt er. Seit 1992 verlegt der Künstler Gunter Demnig diese Gedenksteine in ganz Europa.
Sie erinnern an Schicksale wie die von Albert Salomon (1884 bis 1941), der mit seiner Familie in der hübschen Villa an der Ganspohler Straße gewohnt hat. 1938 war er in „Schutzhaft“ genommen worden und kam nach Dachau. 1941 verlegten ihn die Nationalsozialisten ins Ghetto nach Riga, wo er ermordet wurde. Riga sei die traurige Zwischen- oder Endstation vieler Langenfelder jüdischen Glaubens gewesen, berichtet Augustin. Auch Edith Meyer (1920 bis 1942) wurde deportiert.
Ihr Stolperstein und die von vier weiteren Familienmitgliedern liegen zur Erinnerung und zum Gedenken vor der Stadthalle im Straßenpflaster. Augustin zeigt das Foto einer jungen Frau, erzählt von ihrer tragisch endenden Liebegeschichte. Gemeinsam mit ihrem Verlobten, der kein Jude war, wollte sie fliehen. Die Beiden wurden verhaftet, ihr Begleiter auf der Flucht erschossen. Sie kam 1941 nach Riga und starb später in Auschwitz. „Ich berichte auch ausführlich über das Ghetto in Riga“, sagt der Historiker.
Uwe Augustin legt großen Wert darauf, seine Zuhörer nicht nur mit Daten und Fakten zu füttern, sondern persönliche Schicksale vorzustellen, um Geschichte anschaulich und verständlich zu machen. Die Minimalangaben auf den Stolpersteinen verknüpft er außerdem mit Geschehnissen im Dritten Reich und ordnet sie historisch ein. So zeigt er die Kopie einer Deportationsliste von Dezember 1941. Auf der Strichliste wurden 1007 Juden aus der gesamten Region abgehakt, die vom ehemaligen Güterbahnhof in Düsseldorf-Derendorf in Konzentrationslager gebracht worden sind. Persönliche Schicksale sind so auf einen anonymen Verwaltungsakt reduziert.
Hintergrundinformationen über den Alltag seien gerade für Schulklassen wichtig. „Die Jugendlichen wollen beispielsweise wissen, wie die hygienischen Verhältnisse in einem Konzentrationslager gewesen sind. Fragen, die ein Lehrer im Unterricht eher nicht beantworte. Augustin, der sich im September mit Schülern und Lehrern der Kopernikus-Realschule auf Spurensuche ins Konzentrationslager Auschwitz (Polen) begibt, ist schon sehr gespannt auf die Reise. Neben Schulen buchen auch Privatleute, Firmen oder Institutionen seine regelmäßig stattfindenden Führungen.