Hilden: „Ich hatte sehr harte Lehrer“

In nicht einmal zwei Jahren hat Firmengründerin Jume Lee ein florierendes Unternehmen aufgebaut.

Hilden. Eines morgens wachte sie auf und der seit Jahren herangereifte Entschluss stand fest: "Ich mache mich jetzt selbstständig." Und das hat Jume Lee auch gemacht. Zielstrebig und akribisch bereitete sie die Umsetzung ihrer Geschäftsidee vor - den Handel mit laktosefreien Lebensmitteln. "Ich bin sehr analytisch und sehr strategisch", sagt sie über sich. So hat ihre Selbstständigkeit vorbereitet. In ganz Europa gibt es keine vergleichbaren Mitbewerber, fand sie bei ihrer Recherche heraus. Allein in Deutschland gibt es geschätzte zwölf Millionen potenzielle Kunden: Menschen, die wegen eines Enzymmangels die in Kuhmilch enthaltene Laktose nicht oder nur schlecht verdauen können - allein mehr als 70 Prozent der Senioren über 60 Jahre.

"Wenn man sein Kapital irgendwo hineinsteckt, sollte man nicht blauäugig an die Sache herangehen." Daran hat sie sich gehalten. Schließlich stand viel auf dem Spiel, als sie neun Monate nach dem gefassten Beschluss zur Selbstständigkeit ihren gut bezahlten Job bei einem IT-Konzern kündigte. Dort war sie als Produktmanagerin beschäftigt. Dabei hat sie das Handwerk gelernt, dass sie auch für ihr eigenes Unternehmen einsetzen konnte. "Und ich hatte sehr harte Lehrer."

Die harte Ausbildung und das analytische Vorgehen haben sich ausgezahlt. Als sie sich um einen Platz im Hildener Gründungszentrum bewarb, wurde ihr Konzept mehrmals "auf alles mögliche gescannt" - von der städtischen Wirtschaftsförderung, von den Gesellschaftern des Gewerbeparks Süd und von der Sparkasse. "Und überall habe ich nur Lob geerntet."

Ihr Erfolgsweg war damit vorgezeichnet - und wurde ein Jahr später durch den ersten Platz beim Gründerpreis der Sparkasse 2008 bestätigt. Noch im gleichen Jahr lagerte sie den Versand nach Dresden aus, weil sie dort das für sie passende Logistikunternehmen gefunden hatte. In ihrem Hildener Vertriebs- und Marketingbüro beschäftigt sie mittlerweile zwei Mitarbeiterinnen, in Dresden sind es elf.

Wie groß ihr Geschäftserfolg in Euro und Cent ist, möchte Jume Lee nicht verraten. Die Konkurrenz ist auf den Markt aufmerksam geworden. "Wir sind zwar die Ersten auf dem Markt, aber die Idee ist kopierbar", sagt die 29-Jährige. Diesen Vorsprung will sie halten. Da ist sie stur, so stur, wie seinerzeit, als ihre Eltern ihr von der Firmengründung abraten wollten. "Aber meine Freunde sagen, das sie typisch für mich. Ich hätte immer schon mein Ding gemacht."

Ihr Ding, das ist der Handel mit laktosefreien Lebensmitteln. Mit anderen Produkten hätte das vermutlich nicht geklappt: "Ich könnte nicht Mode oder Schuhe vertreiben. Bei meinen Produkten bin ich schließlich selbst betroffen." Sie weiß wie es ist, nicht mal eben eine Praline essen zu können, weil darin Laktose enthalten ist, die bei ihr Magenkrämpfe verursacht.

Mittlerweile häufen sich auf ihrem Schreibtisch die Anfragen von Krankenhäusern, Altenheimen und Studentenwerken, die an ihren Produkten interessiert sind - quer durch die Republik und aus zehn europäischen Ländern. Ihr Handy steht kaum noch still. Das ist der Nachteil einer erfolgreichen Geschäftsidee: "Ich weiß gar nicht mehr, wann ich das letzte mal Urlaub gemacht habe." Wenn sie mit ihrem Hund spazieren geht, "dann ist das schon Urlaub für mich". Aber auch dann klingelt das Handy. Richtig abschalten könne sie nur, "wenn ich auf einem Pferd sitze". Dann hat sie kein Handy dabei. Aber dieses Hobby kommt - wie so viele andere - seit der Firmengründung viel zu kurz.

Trotzdem würde Jume Lee den Schritt in die Selbstständigkeit wieder wagen - da ist sie wieder stur. Schließlich habe alles Vor- und Nachteile. "Wenn ich krank bin, bin ich nicht krank", ist so ein Nachteil. Dem stünden als Vorteile die Möglichkeit zum eigenverantwortlichen Handeln, Freiräume und ein ausgeglichenes Privatleben gegenüber. Das gewährt sie auch ihren Mitarbeiterinnen. Weil die sich dann aus Überzeugung für ihr Unternehmen einsetzen.