Jugendschutz: „Bei Gewalt sind alle gefragt“
Rainer Kiewe ist seit kurzem für den Jugendschutz zuständig. Er äußert sich im Gespräch zur Gewaltprävention.
Langenfeld. Rainer Kiewe ist seit dem 1. April bei der Stadt für den Jugendschutz zuständig. Zuvor war der Sozialarbeiter im Jugendzentrum aktiv. Im Rahmen der Präventionsarbeit des Jugendschutzes organisiert Kiewe Projekte mit Kooperationspartnern verschiedener Einrichtungen. Der am stärksten vertretene Bereich ist die Gewaltprävention.
Herr Kiewe, hat die Gewalt Jugendlicher Ihrer Einschätzung nach in den letzten Jahren zugenommen?
Rainer Kiewe: Nein, im Gegenteil. Ich würde sogar sagen, dass die Gewalt abgenommen hat. Aber das Thema kommt stärker auf. Vor allem im Bereich Zivilcourage ist mittlerweile viel passiert. Man braucht Mut, um jemanden anzuzeigen. Wenn die Zahl der Anzeigen steigt, hat die Gewalt nicht unbedingt zugenommen.
Auch 2012 lag der Schwerpunkt der Präventionsarbeit beim Thema Gewalt.
Kiewe: Ja, weil die Öffentlichkeit sensibler geworden ist. Durch längere Öffnungszeiten der Einrichtungen haben Pädagogen mehr Kontakt und mehr Einfluss auf die Kinder und Jugendlichen. Sie können bewusster reagieren. Das Thema ist also präsenter, stärker vertreten, und Projekte zur Gewaltprävention werden häufiger verlangt.
Wie wird der Jugendschutz denn aktiv?
Kiewe: Es gibt Projekte in den Einrichtungen, Anti-Aggressions-Trainings, Elternabende und Fortbildungen für Pädagogen, wie man auf Gewalt eingehen kann. Wichtig ist, Eltern, Lehrer und Jugendliche parallel zu informieren und eine Sensibilität zu entwickeln. Oft wird das Thema weiter auf Schulen und andere Einrichtungen abgeschoben. Aber alle sind gefragt. Momentan versuche ich, den Bedarf an Angeboten zu ermitteln.
Wie äußert sich die Gewalt denn am häufigsten?
Kiewe: Es ist schwer, die Grenze zu ziehen, wo Gewalt aufhört. Verbale Angriffe gibt es manchmal schon im Kindergarten und in der Grundschule, körperliche Gewalt kommt etwas später. Das entwickelt sich in kleinen Schritten. Wenn ich auf eine Beleidigung keine Reaktion bekomme, erhöht sich die Gefahr weiterer Gewalt. Am häufigsten sind Fälle von Gewalt zwischen den Jugendlichen.
Woran liegt das?
Kiewe: Meist an mangelndem Unrechtsbewusstsein. Und nach der Tat kann man dann damit prahlen: „Ich hab dem ein Handy abgezogen“. Im Jugendzentrum haben wir mit Gesprächen reagiert: „Was hast du da gemacht? Das ist eine Straftat“. Aber solche Fälle sind auch nur ein kleiner Teil. Die Jugendlichen sollten miteinander lernen, sensibler auf ihre Mitmenschen zu reagieren.
Welches Ziel verfolgen Sie in der Zukunft?
Kiewe: Die Leute sollten bewusster mit dem Thema umgehen. Gewalt wurde früher tabuisiert, das kam kaum in die Öffentlichkeit. Dass das Thema jetzt stärker nachgefragt wird, ist eine gute Entwicklung. Aber wir müssen alle reagieren. Eltern, Lehrer und Jugendamt gemeinsam: Wir machen was!