Schmöker leihen aus dem Steinschrank

Seit eineinhalb Jahren steht der öffentliche Bücherschrank am Berliner Platz.

Foto: Ralph Matzerath

Langenfeld. Er komme „mehrfach in der Woche hierher“, erzählt Klaus Georg. Gerade hat er mal wieder den öffentlichen Bücherschrank durchstöbert. Als er zum Auto zurückgeht, hat er ein dickes Buch über Redensarten und Sprichwörter unter dem Arm. Der Langenfelder Fahrlehrer nutzt den angrenzenden Parkplatz für solch kreative Pausen. Seit Dezember 2015 steht der von Steinbildhauer Hartmut Hegener geschaffene, L-förmige Corpus aus bergischer Grauwacke am Berliner Platz. Er enthält 100 bis 150 Bücher, die Kinder, Jugendliche und Erwachsene einfach mitnehmen können.

Roswitha Pelikan, Bücherpatin

In dem schicken Stadt-Möbelstück finden Leseratten fast alles: Krimis, Science-Fiction, Sachbücher, Kinder- und Jugendliteratur, fremdsprachige Werke. Im Idealfall stellen die Nutzer des öffentlichen Bücherschrankes im Tausch dort andere Bücher ab. Mancher nutzt die Sitzbank mit dem steinernen Bücherstapel direkt zum Schmökern unter freiem Himmel.

Mehr als 18 Monate nach dem Start sind die Initiatoren zufrieden. Sven Lucht vom Bio-Laden Rheinkiesel und — wie hilfreich — Buchhändlerin Hiltrud Markett, die sich als Sprecher von Händlergemeinschaften insgesamt um die Attraktivität der Innenstadt kümmern, standen hinter der Idee. Beide bestätigen, dass der Bücherschrank „sehr gut angenommen wird“. Kernstück ist die ehrenamtliche Betreuung. „Ohne diese ist der Schrank wertlos“, sagte Bürgermeister Frank Schneider bereits anlässlich der Eröffnung.

Roswitha Pelikan ist eine der acht „Bücherpaten“, die sich zusammenfanden, um jeweils einen Tag nach dem Rechten zu sehen. Die 66-jährige Ruheständlerin, die immer schon gerne las und deren „Bücher ein eigenes Zimmer haben“, kümmert sich samstags um das Kunstwerk und seinen Inhalt. „Wir sorgen dafür, dass die eingestellten Bücher in einem akzeptablen Zustand sind, dass Mängelexemplare aussortiert werden und der Bücherschrank gut in Schuss bleibt.“ Auch die Sortierung nach einzelnen Gruppen, die den Gebrauch enorm erleichtert, erfordert oft Nacharbeit. Die Gespräche mit den Nutzern sind nach ihren Worten zusätzliche Freude. „Die Resonanz ist gleichbleibend gut.“

Weil Roswitha Pelikan sich samstags kümmert, fiel ihr als einer der ersten das „Sommerphänomen“, auf. So nennt Hiltrud Markett den Umstand, dass in der warmen Jahreszeit, genauer: zu Zeiten der Flohmärkte, der Schrank oft samstags leergeräumt und sonntagsabends überfüllt war. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

„Diese Bereicherungsabsicht ist Diebstahl“, beklagt Pelikan fehlendes Unrechtsbewusstsein. Die Sensibilität möglicher Trödelmarkt-Käufer soll nun geweckt werden. Deshalb tragen die Bücher im Schrank nun auf der Innenseite einen deutlich sichtbaren Stempel, dass es sich bei ihnen um ein „kostenloses“ Exemplar aus dem städtischen Bücherschrank handelt.

Das Beispiel „Öffentlicher Bücherschrank“ hat offensichtlich Schule gemacht. Inzwischen stehen auf dem Gelände der LVR-Klinik zwei weitere Bücherschränke; an der Seite des Hauses 16 am Eingang zum Lädchen, der andere vor dem Haus 53. Auch im privaten Umfeld gibt es solche Versuche.