Tierarzt: Großer Einschnitt für Flocke
Tumore, Entzündungen und die erste Impfung — in einer Stunde hat Tierarzt Ronald Heinrich viel zu tun.
Monheim. Im kurzärmeligen Hemd steht Ronald Heinrich auf dem Rasen vor seiner Praxis an der Niederstraße — die Hände in die Hüften gestemmt, den Blick in den geöffneten Kofferraum des Kleintransporters gerichtet. Gestern Abend war eine der Schubladen, in denen die Medikamente für Hofbesuche liegen, kaputt gegangen. Jetzt muss deren Inhalt auf die restlichen Fächer verteilt werden. Eine Frauenstimme reißt den Tierarzt aus den Gedanken. Die junge Frau hält eine weiße Plastiktüte in den Händen. „Die Kinder haben die Katze am Rhein gefunden und wollten sie dort nicht einfach liegen lassen“, sagt sie und überreicht Heinrich die Tüte mit dem Kadaver. Der wirft einen prüfenden Blick hinein. „Ich kümmere mich drum.“
Heinrich legt die Tüte in einem der Behandlungsräume ab. Er wird die Katze später auf eine Chipnummer untersuchen. Dann kann der Besitzer schnell ausfindig gemacht und über den Tod seiner Katze informiert werden. Doch erst einmal muss der volle Terminkalender abgearbeitet werden. Schäferhund Farin wartet bereits im Behandlungraum. Als Heinrich das Zimmer betritt, wird Farin bereits mit Leckerchen besänftigt. „Das ist die reinste Bestechung“, sagt Besitzerin Nadine Arque lachend.
Eine Allergie hat eine Entzündung der Augen hervorgerufen: Jetzt hoffen Frauchen und Tier auf Linderung durch eine Salbe, die endlich anschlägt. Während Heinrich Farins Augen mit einem Augenspiegel untersucht, wird nebenan Meerschweinchen Flocke gewogen. Der vier Jahre alte Nager wird für die Operation vorbereitet — ein Tumor muss entfernt werden. Heinrich betritt das Zimmer, schnappt sich das Stetoskop und tastet den kleinen, weichen Körper ab. Während Auszubildende Nina Franzioch das Meerschweinchen festhält, erfühlt sie eine weitere Geschwulst. „Den holen wir gleich mit raus“, sagt Heinrich. Flocke bekommt das Narkosemittel gespritzt und wird auf einem Heizkissen in den OP getragen. In etwa 15 Minuten wird der Nager schlafen. In der Zwischenzeit erledigt Heinrich die Schreibarbeit.
Farins Zustand und die neu verordnete Salbe müssen im Computer festgehalten werden. Im OP wird Flocke indes rasiert — zum Vorschein kommt die kastaniengroße Geschwulst. Auszubildende Nina Franzioch desinfiziert die Stelle mit einem jodhaltigen Spray und tupft die rötliche Flüssigkeit ab.
Heinrich kommt herein, zieht sein grünes OP-Shirt an und sortiert das Besteck. Eine sterile Folie wird über Flocke ausgebreitet, sie hebt und senkt sich mit jedem Herzschlag. Mit einer elektrischen kleinen Schere arbeitet sich der Tierarzt durch die dünne Hautschicht rundum den Tumor. Kleine Rauchschwaden steigen auf, es riecht nach verbrannter Haut. Nach wenigen Minuten ist der Tumor abgetrennt, Heinrich legt ihn zur Seite und beginnt, die Haut zu vernähen. Eine halbe Stunde ist vergangen, Heinrich muss sich nun beeilen, um den zweiten Tumor zu entfernen, bevor die Narkose nachlässt. Nun ist keine Zeit mehr für lange Sätze: „Mehr Licht“, weist Heinrich die Auszubildende an.
Arzthelferin Martina Kovacs öffnet die Tür: „Die Erstuntersuchung wartet nebenan“, ruft sie Heinrich zu. Der vernäht bereits die zweite Wunde, der olivengroße Tumor liegt neben ihm auf dem OP-Tisch. Flocke hat es überstanden. Während die Auszubildende das Meerschweinchen in den Käfig legt, zieht Heinrich Handschuhe und OP-Kittel aus und geht in den Nebenraum.
Brigitte König hält ein geschecktes Kätzchen im Arm. „Wir haben es keine 24 Stunden ohne Katze ausgehalten“, sagt ihr Mann. Die letzte Katze habe eingeschläfert werden müssen. „Drei Jahre hatten wir sie.“ Der Schmerz sitzt offensichtlich noch tief.
Heinrich impft die kleine Filou und untersucht sie auf Flöhe. Er wird fündig. „Sehen Sie, die schwarzen Flecke verfärben sich rotbraun, wenn man Flüssigkeit zugibt“, erklärt er. Filou wird mit einem Floh-Spray eingeschmiert — dann darf sie sich in der Transportbox verkriechen. Kommende Woche folgt die nächste Impfung. Doch für heute ist es geschafft. Filou hat ihren ersten Arztbesuch bravourös gemeistert.