Wenn Sprache zur Barriere wird
Eine Einladung zur Radtour für Neubürger hat Mohamad Babi erhalten, aber er versteht sie nicht.
Nichts scheint derzeit so beschworen zu werden und gleichzeitig so schwerzufallen wie Integration. Die Probleme offenbaren sich im Alltäglichen. Zum Beispiel in einem Brief. „Um dazu beizutragen, sich in Ihrem neuen Wohnort heimischer zu fühlen, laden wir Sie zu einer Radtour ein“, steht da. Mohamad Babi liest diese Zeilen, versteht sie jedoch nicht. Er ist vor sechs Monaten aus dem syrischen Aleppo geflohen, sein Haus liegt direkt zwischen den Fronten. „Man kann dort nicht mehr sicher leben. Meine Tochter wurde von einem Querschläger am Arm getroffen“, berichtet der 41-Jährige, der in Syrien als Anwalt tätig war. Nun versucht er, sich in Deutschland zurechtzufinden.
„Ich habe angefangen, an der VHS Deutsch zu lernen. Ich will es unbedingt können, leider geht das nicht so schnell“, sagt Mohamad. Folglich öffnet er immer wieder Briefe, die ihm nichts sagen. „Würden sie in Englisch sein, bräuchte ich keine Hilfe.“ Wäre das eine denkbare Lösung? „Nur bedingt“, erklärt Detlef Kralemann. Er ist für die Integrationskurse an der VHS zuständig und weiß, dass einige Teilnehmer nur ihre Muttersprache beherrschen: „Es ist nicht zu leisten, Schreiben in unzähligen Sprachen loszuschicken.“
Das sehen die Verantwortlichen bei den Städten Monheim und Langenfeld ähnlich. Dietmar Marx (kommissarischer Bereichsleiter für Ordnung und Soziales in Monheim) und Holger Hammer vom Langenfelder Sozialreferat weisen zudem darauf hin, dass sie bei offiziellen Schreiben gar keine andere Wahl hätten, da Deutsch nun mal die Amtssprache sei. Es gebe aber Informationsbroschüren in mehreren Sprachen.
Mohamad berichtet, dass er trotz seiner sehr guten Englischkenntnisse auf einem Amt weggeschickt wurde. Seitens der Städte heißt es, dass es ausreichend Möglichkeiten gebe, Sprachbarrieren zu überwinden. „Wir kooperieren mit dem Sozialdienst. Es gibt Dolmetscher. Mitarbeiter gehen in die Flüchtlingsunterkünfte, begleiten Behördengänge“, erklärt Marx. Die Stadt Langenfeld arbeite eng mit Integrationslotsen zusammen, und Hammer betont: „Man darf außerdem nicht die vielen Ehrenamtlichen vergessen.“
Arlin Çakal-Rasch vom Mettmanner Kreisintegrationszentrum ist zuversichtlich: „Wir haben inzwischen viele Anlaufstellen und sind auf einem guten Weg.“ Mohamad hat sich mit der Einladung zur Radtour an seine Kursleiterin an der VHS gewandt. Ihm geht es weniger um ein Alleingelassensein, als vielmehr um seine Scham. „Ich muss ständig meine deutschen Freunde um Hilfe bitten. Das ist mir sehr unangenehm.“ Mohamad nimmt die Probleme aus einer anderen Perspektive wahr als die Behörden. Die Herausforderung bleibt dennoch für alle die gleiche, denn Integration ist kein theoretischer Selbstläufer. Sie bedarf vor allem der Praxis: Das Engagement, die Arbeit und Empathie aller ist gefragt.