Dem Mammut auf den Zahn gefühlt
Archäologie: Beim Bestimmungstag im Neanderthal Museum konnten Besucher ihre Funde von Experten prüfen lassen.
Mettmann. „Ach nein, enttäuscht bin ich nicht.“ Manfred Eismann trägt das Urteil der Anthropologin und Archäologin Claudia Pingel mit Fassung. Die Museumspädagogin des Neanderthal Museums hat gerade ein großes Fundstück des Wülfrathers untersucht. „Das ist kein Zahn eines Mammuts“, erklärt die Wissenschaftlerin, „es handelt sich vermutlich um den Backenzahn eines Waldelefanten. Mammutzähne haben andere Einkerbungen.“
Zum zweiten Mal hatte das Neanderthal Museum am Dienstagnachmittag einen Bestimmungstag durchgeführt und Besitzern von Fundstücken angeboten, ihre Schätze von Experten untersuchen und prüfen zu lassen. „Denn Laien fällt es oft schwer, ein Fundstück zu bestimmen“, sagt Andreas Pastoors, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Neanderthal Museums.
Manfred Eismann wird den großen Backenzahn, der laut Claudia Pingel mehrere Tausend Jahre alt sein dürfte, wieder dorthin stellen, wo er bereits viele Jahre stand — ins Regal als Bücherstütze. Anfang der 1970er-Jahre hatte er den Zahn mit seinem Schwager in einer Kiesgrube in Frankreich, in der Nähe von Reims, entdeckt. Ich hatte damals den Fimmel, Steine zu sammeln“, sagt Eismann. Als er von der Mammut-Ausstellung im Neanderthal Museum erfuhr, bot er seinen vermeintlichen Mammutzahn als Leihgabe an. „Aber mir wurde gesagt, dass ich damit zum Bestimmungstag gehen sollte.“
Hans Neuerburg aus Hochdahl hat zwei gut gefüllte Fahrradtaschen mitgebracht: „Das sind Steine, die ich in der Nähe des Gerresheimer Friedhofs gefunden habe.“ Ein Stein hat die Form einer Speerspitze. Doch davon lässt sich Archäologe Pastoors nicht beirren. Er kann keine Schlagmerkmale finden, die darauf hindeuten, dass der Stein einmal von Menschen bearbeitet wurde — dies gilt auch für die anderen Exemplare. Pastoors: „99 Prozent der Steine, die uns vorgelegt werden, haben Menschen nie in der Hand gehabt.“ Doch dann entdeckt er an einem klitzekleinen Steinchen charakteristische Wellenlinien, die von einem kontrollierten Schlag zeugen, einem Schlag wie er nur von einem Menschen ausgeführt werden kann.
Dagegen hat das Ehepaar Anika und Lothar Klitsch einen ganzen Haufen kleiner Steine mitgebracht, die fast alle vor Tausenden von Jahren von Menschen bearbeitet worden sein müssen. Doch die Euphorie der Archäologen angesichts dieser vielen Fundstücke hält sich in Grenzen. Das Ehepaar hat die Steine von einem Aufenthalt aus dem südfranzösischen Les Eyzies mitgebracht. „Das haben wir unter einem Hain von Walnussbäumen gefunden. Die Erde unter den Bäumen war frisch gepflügt“, sagt Hobbyarchäologe Klitsch. „Diese Sachen hätten sie eigentlich vor Ort anzeigen müssen“, sagt Pastoors, „archäologische Funde aus ihrem Kontext zu reißen, macht sie wertlos für die Wissenschaft. Das ist kein Vorwurf, aber das sollten sie künftig bedenken.“
Auch hierzulande müssen archäologische Funde bei der Gemeinde oder der Denkmalbehörde gemeldet werden. Pastoors: „Solche Funde sind bewegliche Bodendenkmäler, die der Allgemeinheit gehören.“ Deshalb hat der Mitarbeiter des Neanderthal Museums auch Fundmeldebögen mitgebracht. Doch an diesem Nachmittag muss kein Formular ausgefüllt werden. Auch nicht für die steinzeitlichen Speerspitzen, die der Vermessungs-Ingenieur Uwe Orth-Götz 1998 gefunden hat. Denn die stammen aus Libyen. „Ich hab’ sie in einem Tal, das von 400 Meter hohen Sanddünen umgeben war, entdeckt.“ Dort suchte der Mann aus Hochdahl für eine Firma nach Öl- und Gasvorkommen. Die Speerspitzen will Pastoors einem jungen Kollegen zur Verfügung stellen, der zurzeit an seiner Dissertation über steinzeitliche Funde sitzt. „Dann wird er auch das Alter der Funde datiert“, sagt Pastoors. Dafür stellt Orth-Götze seinen Fund gerne zur Verfügung.