Die Kumpels Mister N und Spyrou
Im Neanderthal Museums ist jetzt Spyrou zu sehen. Das lebensechte Modell eines Neandertalers kommt aus Belgien und ist nur zu Besuch da. Spyrou kostet etwa 1,5 Millionen Euro.
Wenn man neben Spyrou steht, denkt man, gleich schüttelt er einem die Hand und sagt: „Schön, dass du hier bist.“ Was ist das eigentlich, was da seit gestern und noch in den nächsten zwei Wochen im Foyer des Neanderthal Museums steht? Eine Puppe oder ein Modell?
„Viel mehr als das“, sagt Angelika Becker vom Belgischen Museum „L‘Espace de l‘Homme de Spy“. Im belgischen Spy wurden 1886 die Skelette von zwei erwachsenen Neanderthalern und einem Kleinkind entdeckt. Sie lebten dort vor ungefähr 36 000 Jahren.
Anhand von 3D-Drucken eines fast vollständigen Skeletts aus der Höhle von Spy haben die Brüder Adrie und Alfons Kennis den Neanderthaler „Spyrou“ angefertigt. Es sind die gleichen Künstler, die auch den im Neanderthal Museum bereits seit dem Jahr 2006 weltweit bekannten „Mister N“ zum Leben erweckt haben.
„Die Knochen sind zu 100 Prozent so wie bei dem Neandertaler, der etwa 25 Jahre alt gewesen sein dürfte, als er starb“, sagt Angelika Becker. Knochen für Knochen wurde er von den beiden Niederländern aufgebaut und aufwendig modelliert. „Im Prinzip wird die gleiche Technik verwendet, die heute bei der Polizei benutzt wird, wenn man unbekannte Tote findet“, sagt Becker. Anhand der Wangenknochen und Schädelteile kann man auch ein Gesicht modellieren, dass dem Original sehr nahe kommt.
Der belgische Spyrou ist etwa 1,63 Meter groß, sein Alter wird auf höchstens 25 Jahre geschätzt. Die vielen Arbeitsstunden sowie der Materialeinsatz ergeben einen ideellen Schätzwert von etwa 1,5 Millionen Euro, sagt Angelika Becker.
Wer ihn näher unter die Lupe nehmen möchte, sollte sich beeilen. Im Neanderthal Museum ist er nur für zwei Wochen zu Gast, dann tritt er wieder die Heimreise nach Belgien an. Bärbel Auffermann, stellvertretende Direktorin des Museums, hätte den Gast gerne länger behalten. „Die beiden verstehen sich offenbar sehr gut“, sagt Auffermann. Für sie ist Spyrou mindestens so schön wie „Mister N.“
Ähnlichkeiten mit heute lebenden Personen sind übrigens gar nicht so zufällig. Eine Forschergruppe um Svante Pääbo am Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig hat mit der Entschlüsselung des Neandertaler-Genoms nachweisen können, dass alle Menschen, die heute außerhalb Afrikas leben, bis zu vier Prozent Neandertaler-DNA in sich tragen.
Deshalb hat das Museum auch vor einigen Jahren von den Brüdern Kennis noch ein Neandertal-Modell anfertigen lassen, dass allerdings einen Anzug trägt und im täglichen Umgang gar nicht mal so besonders auffallen würde. Dieses Modell wird im Museum „Mister 4%“ genannt. Er steht allerdings nicht im Foyer, sondern in der Daueraussstellung.