Eine neue Aufgabe für Rita Rüttger Strafprozess wird für Opfer von Gewalttaten zur Zerreißprobe
Kreis Mettmann. · Rita Rüttger (64) begleitet Geschädigte zu Gerichtsterminen.
Was in Erwartung einer gerechten Strafe eigentlich für Genugtuung sorgen sollte, wird für traumatisierte Opfer schwerer Gewaltübergriffe zum Auslöser von Seelenqualen: Das Gerichtsverfahren, in dem man als Opfer seinem Peiniger begegnet und sich dazu auch noch im Zeugenstand an das Geschehene erinnern muss. Ohnmacht und Kontrollverlust wiegen schwer – und vielen Opfern gelingt es nicht mal eben so, sich aus der gefühlten Hilflosigkeit herauszubewegen.
„Jemanden in solch einer Situation hilfreich zur Seite zu haben, ist ungeheuer wichtig“, spricht Rita Rüttger über die zusätzliche Form des Opferschutzes, die durch die „Psychosoziale Prozessbegleitung“ geschaffen wurde. Was sollte man als Opferzeuge sagen vor Gericht? Und was muss man sich keinesfalls fragen lassen von Verteidigern, die im Privaten herumfischen, um ihre Mandanten zu entlasten? „Jemanden bei sich zu haben, der über all das aufklären und bei den Zeugenvernehmungen dabei sein kann, verhilft den Betroffenen zu mehr Stabilität und Sicherheit“, weiß Rita Rüttger.
Im vergangenen Jahr hat sie einen jungen Mann begleitet, der von seinem Mitbewohner in der gemeinsamen Wohnung unvermutet angegriffen und mit mehreren Messerstichen lebensgefährlich verletzt wurde. Als wäre das alles nicht schon schlimm genug gewesen, fürchtete er nun auch noch die Rückkehr in die Wohnung, die zum Tatort geworden war. Mit Rita Rüttger sprach er schon, als er noch im Krankenhaus lag. „Wer zum Opfer einer Straftat geworden ist, muss bei der Polizei, beim Rechtsanwalt und vor Gericht darüber sprechen können, was ihm widerfahren ist“, erzählt Rita Rüttger von der seelischen Gratwanderung, die für Verbrechensopfer zur Herausforderung wird.
Im Leben der Opfer ist
plötzlich nichts mehr wie es war
Erst vor kurzem hat sie eine junge Frau zum Wuppertaler Amtsgericht begleitet, die von einem Bekannten nach einem Stadtfest in der eigenen Wohnung vergewaltigt worden war. Schon vor der Gerichtsverhandlung war die Frau an ihrem Wohnort durch die sprichwörtliche Hölle gegangen. Anfangs noch halbwegs stabil und bemüht, das eigene Leben wieder in den Griff zu bekommen, stellten sich schon bald die psychischen Folgen des Traumas ein. „Sie hat ihren Job verloren, konnte nicht mehr allein sein und zog aus ihrer Wohnung zurück zu den Eltern, um dort auf der Couch zu schlafen“, erzählt Rita Rüttger. Eine Situation die sehr umfangreiche Begleitung erfordert, weil nichts im Leben der Frau mehr ist, wie es vorher war. Für sie müssen nun auch über den Strafprozess hinaus langfristige Hilfen organisiert werden.
Gänzlich fremd ist Rita Rüttger ein solches krisenhaftes Geschehen übrigens nicht, war sie doch über 25 Jahre lang Mitarbeiterin und Leiterin des SKFM-Frauenhauses im Kreis Mettmann. Als dann vor zwei Jahren die Pensionierung anstand, orientierte sich die 64-Jährige beruflich um. Dabei kam ihr zugute, dass nahezu zeitgleich die Möglichkeiten der „Psychosozialen Prozessbegleitung“ neu geregelt wurden. Sie hat die notwendige Zusatzausbildung abgeschlossen und ist gut vorbereitet auf die Bedürfnisse von Opfern in einem Strafverfahren. Sie weiß, dass Traumafolgen auch überwunden werden können. „Man muss diesen Zustand verstehen und akzeptieren, um wieder herauszukommen“, sagt Rita Rüttger. Sie hat genau das schon oft erlebt und weiß, dass es gelingen kann. Keinesfalls sollte man damit hadern, wenn man es nicht alleine hinbekommt.