Eltern übernehmen Betreuung in Kita

Der Erzieherinnen-Streik geht weiter. Das bringt Elterninitiativen wie die in Ratingen auf kreative Ideen.

Foto: Dietrich Janicki

Nein, den Haushaltsplanentwurf hat Kämmerer Martin Gentzsch nicht mit in die städtische Kita am Mintarder Weg gebracht: „Wenn ich daraus vorlesen würde, wären alle Kinder wahrscheinlich in kürzester eingeschlafen“, sagt Gentzsch, als Vater von fünf Kindern bestens vertraut mit der Materie. Gemeinsam mit acht Vertretern der Eltern hat er gestern Morgen die Kita in dem Breitscheider Wohngebiet aufgeschlossen — die Arbeit im Büro muss warten.

60 Kinder besuchen die Breitscheider Kita normalerweise, an diesem Morgen sind es rund 20. Und die sind sichtlich froh, nach drei Wochen streikbedingter Abstinenz endlich wieder in ihrem gewohnten Umfeld zu sein. „Man hat heute morgen sofort gemerkt, dass die Kinder sofort in ihrem Element waren“, erklärt Dirk Warten von der Elterninitiative, die seit gestern fünf städtische Kitas übernommen hat. Ab morgen kommt noch eine Sechste hinzu: „Als es vergangene Woche hieß, dass jetzt auch die Notgruppen bestreikt werden, mussten wir handeln. Dieser Streik stellt viele Eltern mittlerweile vor existenzielle Probleme.“ An diesem Morgen gibt es sogar ein Überangebot an Betreuungskräften, acht Elternteile sind vor Ort — drei pro Kind also: „Der offizielle Betreuungsschlüssel sieht fünf Kinder für eine Erzieherin vor, da sind wir besser“, kann sich Warten eine bissige Bemerkung nicht verkneifen, wird aber sofort wieder ernst: „Wir sind kein Ersatz für richtige Erzieherinnen, deren Arbeit wir große Wertschätzung entgegen bringen, die aber nicht für diese Vorgehensweise gilt. Ich habe nach wie vor kein Verständnis dafür, dass dieser Konflikt auf dem Rücken der Kinder ausgetragen wird.“

Die Kinder freuen sich an diesem Morgen jedenfalls über die neuen Menschen in ihrer Kita. „Wer bist Du denn?“ ist wohl die meist gestellte Frage an diesem Montag.

Auch wenn die Erwachsenen keine konkreten Planungen haben für diesen Tag: „Die Kinder haben uns sehr schnell gezeigt, was sie machen möchten und uns mit in die Bau- oder Puppenecke genommen“, erzählt Gentzsch. Sie alle tragen Namensaufkleber, schließlich müssen sich die Kleinsten an ganz viele neue Gesichter gewöhnen. Wie lange die Eltern das Angebot aufrecht erhalten können, daran lässt Organisator Warten keine Zweifel aufkommen: „Lange! Bis zu den Sommerferien schaffen wir das auf jeden Fall. Und ab da haben wir ja dann etwas Luft, weil in den Ferien die Unterbringung der Kinder ja ohne die Kitas laufen würde.“

Von Versprechungen der Gewerkschaften über eine baldige Einigung will er sich nicht blenden lassen: „Wir haben noch die andere Aktion in der Hinterhand, mit der wir den Verhandlungspartnern klar machen können, wie ernst die Lage für die Kinder ist, die keine Lobby haben.“