Experten bewerten Wahlplakate
Die Plakate der Kandidaten für die Bundestagswahl hängen. Wir haben zwei Experten nach ihrem Urteil über diejenigen gefragt, die eine reale Chance auf den Einzug in den Bundestag haben.
Kreis Mettmann. Der Bundestagswahlkampf geht in die heiße Phase: Die Parteien haben ihre Plakate für die Wahl am 24. September aufgehängt. Abgesehen von Motiven, die überall in Deutschland zu sehen sein werden, sind auch wieder viele Plakate der Bewerber um ein Direktmandat darunter. Rüdiger Goetz von der Geschäftsführung der Düsseldorfer Werbeagentur Grey und der Wahlforscher und Kommunikationswissenschaftler Frank Brettschneider von der Universität Hohenheim, der sich unter anderem auf die Untersuchung von Wahlplakaten spezialisiert hat, haben sie für uns analysiert. Hier sind ihre Bewertungen.
„Bei Peter Beyer fällt das unauffällige Branding auf“, sagt Rüdiger Goetz. „Das Plakat hat eine geringe visuelle Durchgängigkeit. Es wird nicht eindeutig mit den Motiven der nationalen Kampagnen verknüpft, das mögliche verbindende visuelle Element der Deutschlandfarben ist zu unterschiedlich interpretiert, der Gesamteindruck ist trotz Logo und Schriftumgang jedoch in Bild, Komposition und den Gestaltungselementen zu unterschiedlich. Das Plakat vermittelt außer der Person keine Inhalte. Plakat und Kandidat wirken professionell, jedoch tendenziell kalt, technokratisch und unpersönlich. Der Name des Kandidaten ist ansonsten gut lesbar.“
Frank Brettschneider sagt zu Michaela Noll: „Technisch ist das Plakat relativ gut gemacht. Es ist nicht überfrachtet. Und aufgrund der Gestaltung erkennt man es schnell als CDU-Plakat. Die Botschaft ist allerdings dürftig: ,Vertrauen zählt.’ Da wäre es besser gewesen, Frau Noll hätte sich mit einem Thema in Verbindung gebracht. Diese typischen Kopfplakate sind nach den Textplakaten der Plakattyp, der am wenigsten wirkt. Viele Menschen sind von solchen Plakaten genervt. Denn sie transportieren keine Botschaft — außer den Kandidaten selbst.“
Brettschneider bewertet Jens Niklaus: „Das SPD-Plakat passt zur Bundeslinie der Partei und hat somit einen hohen Wiedererkennungswert. Es ist jedoch überfrachtet: Neben dem Kandidaten und seinem Namen finden sich zwei Slogans, eine Europafahne und auch noch der Claim der Bundespartei. Ein Wahlkreuz ist auch noch abgebildet. Weniger wäre mehr gewesen. Vor allem, wenn man bedenkt, dass Menschen einzelne Plakate zwei bis vier Sekunden lang wahrnehmen.“ Grieses Kampagne wird von Goetz begutachtet: „Die Identifikation als SPD-Wahlkommunikation ist sehr eindeutig und plakativ. Das Branding der SPD ist konsistent angewendet und professionell umgesetzt. Somit ist das Plakat formal gut an die nationale Kampagne angepasst und erhöht so die Wahrscheinlichkeit einer Wiedererkennung und des selektiven Eindrucks einer hohen Kommunikationsdichte der SPD Wahlkommunikation. Auch der Farbcode der SPD ist konsequent eingesetzt und unterstützt die schnelle Zuordnung. Das Plakat konzentriert sich ebenfalls konsequent auf die effiziente Vermittlung von nur zwei Inhalten: die eindeutige, schon beschriebene, Parteienerkennung, als auch die Präsentation der Kandidatin und ihres Namens. Design, Farbgestaltung oder Fotografie ordnen sich diesem Ziel klar unter. Auf jegliche politische Inhalte wird jedoch ebenso konsequent verzichtet.“
Sie sieht Brettschneider so: „Das FDP-Plakat ist technisch sehr gut gemacht. Es hält sich strikt an die Gestaltungslinie der Bundes-FDP: Viel Schwarz-Weiß steht im Kontrast zu den Neon-Farben des Textes. Die Plakat-Elemente Partei, Kandidatin und Botschaft sind gut angeordnet. Sehr gut ist, dass Frau Reuter eine Verbindung zu einem Thema herstellt: Bildung. Das ist ein gelungenes Kandidaten-Plakat.“
Ähnlich sieht es Goetz für Anna-Tina Pannes: „Die Plakate haben eine hohe visuelle Konsistenz in Bezug sowohl auf alle anderen aktuellen Motive sowie die vorherigen NRW-Kampagnen. Der neue Stil der FDP ist auffällig und eigenständig und grenzt sich durch eine moderne und dynamische Anmutung stark von der restlichen Parteien-Kommunikation ab. Die Headline ist kurz und prägnant, besitzt durch ihre Doppeldeutigkeit Originalität und Merkfähigkeit. Zudem verleiht sie der Kandidatin durch ihre eigenwillige Tonalität Charakter und Persönlichkeit, polarisiert jedoch hinsichtlich des Alters und Lifestyle der angesprochenen Zielgruppen.“
Zu Ophelia Nick sagt Goetz: „Das Plakat besitzt keine plakative und visuell schnelle Markierung als Kommunikation der Grünen. Das Logo ist unauffällig und hebt sich sowohl farblich als auch gestalterisch nur schlecht vom unruhigen Hintergrund ab. Auf den markanten und flächigen Einsatz der Hintergrundfarbe Grün wird verzichtet. Dadurch wird sowohl der eindeutige Hinweis auf die Partei als auch die Anbindung an die nationalen Kampagnen-Motive der Grünen zusätzlich geschwächt.“
Positiver beurteilt Brettschneider Jörn Leunert: „Das Plakat ist technisch gut gestaltet. Partei, Kandidat und Botschaft sind passend angeordnet. Man kann es schnell den Grünen zuordnen. Lediglich der Slogan ,Gerechtigkeit gestalten’ ist nicht optimal. Zum einen lassen sich lange Wörter in Großbuchstaben nicht gut lesen. Zum anderen wäre es für einen Kandidaten der Grünen besser, sich mit einem Kernthema zu platzieren: entweder Umwelt, oder Klimaschutz oder Mobilität.“
Hierzu merkt Goetz an: „Zu hohe Informationsdichte und wahrnehmungspsychologisch unvorteilhafte Darstellung. Die Headline ist zu klein und wirkt selbst gemacht. Die starke rote Umrandung vermittelt eher den Charme einer Gefahrenmitteilung, was unter Umständen gewollt ist, jedoch als Parteien-Kommunikation unseriös und hysterisch wirkt.“