Habicht macht es Taubenzüchtern schwer
Die Raubvogel-Population ist gewachsen — zum Leidwesen von Taubensportlern und Anglern.
Kreis Mettmann. Es ist immer das Gleiche: Taubenschlag öffnen, laut schreien und hoffen, dass es die Tauben schaffen. Manchmal wird auch gerasselt und geklopft. Oder sogar zur Leuchtpistole gegriffen. „Sie glauben gar nicht, was das für eine Show ist. Wäre es nicht so traurig, könnte man darüber lachen“, schildert Heiko Göbel die tägliche Prozedur an seinem Taubenschlag, die nur einen Sinn hat: Die Brieftaubenzüchter will den Habicht (Archivfoto: Olaf Staschik) davon abhalten, seine Tauben zu schlagen. Der wiederum habe es sich längst gemütlich gemacht in unmittelbarer Nachbarschaft und warte förmlich darauf, dass endlich die Klappe aufgeht.
HeikoGöbel, Brieftaubenzüchter
„Irgendwann merkt er auch, dass all das Theater ihm nichts anhaben kann“, weiß Heiko Göbel aus Erfahrung. Im Grunde vergehe kaum ein Tag, an dem nicht irgendeine seiner Tauben verletzt oder geschlagen werde. „Tauben sind keine Schlaghocker, sondern Flugtiere. Man kann sie nicht ständig einsperren“, spricht er über ein Dilemma, für das es aus seiner Sicht nur eine Lösung geben kann: Artenschutzmaßnahmen für Greifvögel sollten überdacht werden. „Man kommt in Gegenden wie diesen nicht darum herum, in die Natur einzugreifen“, glaubt Göbel. Im Klartext heißt das: Es sollte Quoten für den Greifvogelbestand geben. Werden die überschritten, sollte im Zweifel auch der Abschuss erlaubt sein.
Unter Artenschützern dürfte sich der Brieftaubenzüchter damit kaum Freunde machen. „Die Population regelt sich von selbst durch das Nahrungsangebot oder den Stress innerhalb der Art. Beides kann dazu führen, dass die Vögel nicht mehr brüten“, weiß Landschaftspfleger Detlef Regulski. Seit zehn Jahren leitet er das Uhu-Projekt mit großem Erfolg. Galten Uhus in hiesigen Gefilden nahezu als ausgestorben, gibt es mittlerweile im Kreis Mettmann wieder etliche Brutpaare. Von den Schutzmaßnahmen profitieren nicht nur die „Könige der Nacht“ selbst, sondern zuweilen auch andere Greifvögel wie der Habicht.
All das gilt übrigens längst nicht nur für das konfliktreiche Nebeneinander von Taube und Habicht. So liebt der Kormoran frischen Fisch und der Waschbär plündert bei den Kröten in der Grube 7. Und meist gibt es denjenigen, den all das nicht sonderlich stört, weil er Habicht, Kormoran oder Waschbären mag. Und es gibt diejenigen, denen es auf den Magen schlägt — und die es nicht länger hinnehmen wollen, dass die von ihnen gehegten und gepflegten Tierarten den Hunger ihrer Fressfeinde stillen sollen. Was also ist zu tun inmitten einer Debatte, die zunehmend verhärtete Fronten produziert und innerhalb derer keine Lösung in Sicht zu sein scheint. Womöglich helfen etwas Abstand von den eigenen Interessen und das Vertrauen darauf, dass sich die Natur auch inmitten moderner zivilisatorischer Einflüsse von selbst reguliert.
Das zumindest glaubt Klaus Adolphy. Als Leiter der Unteren Landschaftsbehörde gerät er oft zwischen die Fronten und plädiert für mehr Gelassenheit. „Man kann nicht ständig regulierend eingreifen. Vieles regelt sich über die Zeit hinweg von selbst“, schließt er sich den Argumenten von Landschaftspfleger Detlef Regulski an.
Quoten und eine Abschusserlaubnis für Greifvögel könne es ohnehin nicht geben, da die Arten unter Schutz stehen und nach wie vor gefährdet seien. „Meist steigt eine Population vorübergehend an, um danach wieder abzusinken“, weiß Adolphy. Grundsätzlich gehe es darum, alle Arten im Blick zu behalten und deren Lebensraum zu erhalten. Denn in dem gebe es auch viele Protagonisten, die auf keiner Liste stehen würden und demzufolge keine Lobby hätten. „Käfer, Pilze, Moose: Die kennt kaum jemand“, glaubt Adolphy.
Für Heiko Göbel wird all das vermutlich keine Lösung sein. Er wird weiterhin jeden Tag vor seinem Schlag das tägliche Vergrämungsritual aufführen und hoffen, dass seine Tauben unversehrt zurückkommen. Oder womöglich — so wie viele Taubenzüchter — irgendwann keinen anderen Weg mehr sehen, als sein Hobby an den Nagel zu hängen.