Justiz in Mettmann Eine Berufungsverhandlung als willkommene Abwechslung

METTMANN/WUPPERTAL · Ursprüngliches Urteil in der Berufungsverhandlung bestätigt. Der Angeklagte quartierte sich als Privatpatient in Hospitälern ein – unter falschen Namen.

 Das Evangelische Krankenhaus Mettmann, EVK.

Das Evangelische Krankenhaus Mettmann, EVK.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Eine Berufungsverhandlung als Event? Um mal wieder aus dem Knast zu kommen? Dass sein Mandant deshalb die Gerichte beschäftigen könnte, hatte dessen Anwalt schon beim letzten Stelldichein von Bernd U. am Wuppertaler Landgericht gemutmaßt. Nun war es mal wieder so weit: Der Angeklagte hatte einen sonnigen Tag erwischt und polterte im Gerichtssaal gleich los: Sein letztes „Opfer“ habe doch tatsächlich behauptet, Seelsorger in der JVA zu sein. Dabei sei der Mann zwar Christ, aber nur „Kontaktgruppenleiter“. Für eine solche Hochstapelei verlange er selbst nun Straferlass. Aber was war überhaupt passiert, bevor die Sache justiziabel wurde?

Der Auftritt des Angeklagten hat eine lange Vorgeschichte. Schon seit Jahren lässt sich Bernd U. unter fremder Leute Namen in Krankenhäusern aufnehmen, um dort als Privatpatient zu logieren und nach ein paar Tagen zu verschwinden. Meist lässt er sich noch zuvor im Internet gekaufte Waren dorthin liefern oder bemüht auch schon mal Sexhotlines; die Rechnungen bekommen später die ahnungslosen Opfer.

Auch in Mettmann war der „Identitätsdieb“ bereits aktiv. Der Patient kam als Notfall ins Evangelische Krankenhaus in der Gartenstraße. Mitten auf der Straße umgekippt, eine sogenannte „Synkope“. Die Diagnose hatte er sich gleich selbst gestellt: irgendwas mit dem Herzen. Bis ein Kardiologe kam, war Bernd U. schon wieder weg. Bevor er sich selbst entließ, hatte er zwei Mitpatienten um den Inhalt ihrer Geldbörsen gebracht. Einem weiteren Patienten hatte er die Telefonkarte gestohlen, um sich den Restbetrag am Automaten auszahlen zu lassen. Als das Krankenhaus die Kosten für die Rundum-Versorgung des Privatpatienten samt Chefarztbehandlung von dessen Versicherung zurückholen wollte, wurde klar: Der Mann hatte dort unter falschem Namen eingecheckt. Bei der Versicherung kannte ihn niemand. Es folgte eine Anzeige wegen Leistungskreditbetrugs bei der Mettmanner Polizei, wie Pressesprecher Daniel Uebber bestätigt. Dort soll es auch ein Video geben, dessen Brisanz erst später offenkundig wurde. Eine Überwachungskamera hatte Bernd U. im Sommer 2018 gefilmt, als der sich im Krankenhaus-Foyer das Restguthaben von der gestohlenen Telefonkarte hatte auszahlen lassen.

Das Phantom bekam plötzlich ein Gesicht – denn Bernd U. war schon seit Jahren mit dieser Masche unterwegs. Sich unter falschem Namen in Krankenhäuser einliefern lassen und Mitpatienten bestehlen – bei den Ermittlungsbehörden gab es dazu bereits eine dicke Akte. Mehrfach wegen ähnlicher Betrügereien in Haft, büxte er dann bei einem begleiteten Ausgang aus dem offenen Vollzug aus, als ein Betreuer mit ihm Klamotten für die bevorstehende Entlassung hatte kaufen wollen. Und ja, dann war da eben noch die Sache mit dem JVA-Seelsorger, der ja keiner gewesen sei. Auf dessen Namen und an dessen Adresse hatte sich Bernd U. diverse Werkzeuge schicken lassen und sie dort abfangen wollen. Dabei habe er gewusst, dass sein Opfer verreist gewesen sei. Zur Versendung der Pakete war es nicht mehr gekommen, der Baumarkt hatte längst das Kundenkonto gesperrt.

Wie der Angeklagte überhaupt an die Adresse des Seelsorgers hätte gelangen sollen, wo er doch damals in Untersuchungshaft saß? Vom Gericht war dazu zu hören, dass Bernd U. zuvor um Entlassung gebeten habe, um eine Therapie zu machen. Dort vorstellig wurde er freilich nicht. Am Ende blieb es im Berufungsprozess wegen der Sache mit dem Seelsorger und für das „Einchecken“ im Mettmanner Krankenhaus bei den 20 Monaten Haft, die das Amtsgericht verhängt hatte – und die nun noch obendrauf kommen auf die mittlerweile unübersichtlichen Haftstrafen, die der Angeklagte zu verbüßen hat. Aber wenigstens war er mal wieder an der frischen Luft.